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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn
Autoren: Dane Rahlmeyer
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das Treiben auf dem Nexus-Boulevard beobachten konnten. Da die Masse der Bürger den geschwärzten Pflasterstein verdeckte, erinnerte nichts mehr an die Ausschreitungen der gestrigen Nacht, abgesehen von den verstärkten Patrouillen, unter deren Blicken die Leute kuschten.
    Kaleen dachte an ihr letztes Gespräch mit Telios, vor fünf Tagen, im leeren Korridor der Akademie, als sie ihm eröffnet hatte, dass sie von der Rückkehr des Kults wusste und von der Tätigkeit der Kommission. Dinge, von denen sonst niemand wissen durfte.
    Weiß er davon? Kaleen blickte zu Monaro, neben dem sie herflatterte. Ihr Geister, weiß er es? »Sie haben eine beachtliche Karriere hinter sich, Admiral«, sagte sie, ohne dass ihre Stimme etwas von ihrer Furcht verriet. Dreiundvierzig Jahre Dienst hatten sie gelehrt, ihre wahren Gefühle zu verbergen, sowohl vor vorgesetzten Offizieren, wie auch vor den Mitgliedern ihrer Mannschaft. Nun musste sie alle Register ihres Könnens ziehen. »Sie können stolz auf sich sein.«
    Monaro verzog keine Miene. »Ich tue, was ich kann, dem Orden zu dienen.«
    »Wie wir alle.«
    »Ich fürchte, da irren Sie sich.«
    Kaleens Flügelschlag hätte beinahe ausgesetzt. Dann begriff sie, was er meinte. »Ja. Telios’ Verrat hat uns schwer getroffen. Ich weigere mich immer noch, es zu glauben. Erst Xanata und nun das ...« Sie schüttelte den Kopf und dachte dabei: Vorsicht! Jeder falsche Schritt ist vielleicht dein letzter!
    »Seine Flucht sollte Geständnis genug sein«, entgegnete Monaro.
    Die Admiralin landete auf der Fensterbank, während der Mensch wie ein Berg neben ihr aufragte. Konnte er das Hämmern in ihrer Brust hören? »Und seitdem ist die Dragulia spurlos verschwunden?«, fragte sie.
    »Man wird sie früher oder später ausfindig machen – so mächtig das Schiff ist, so schwierig ist es auch zu verstecken.« Monaro sah zu ihr hinab. »Soweit ich weiß, waren Sie und Telios befreundet.«
    Eine kalte Hand ergriff Kaleen. So ruhig sie konnte, erwiderte sie: »Das ist korrekt, Admiral.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal von ihm gehört?«
    »Nun ...« Sie tat, als müsste sie darüber nachdenken; es war unmöglich, irgendetwas aus Monaros versteinertem Gesicht herauszulesen. Sie entschied sich dafür, die Wahrheit zu sagen – und betete zu den Geistern. »Vor zwei Tagen erst. Er hatte mir per Kurier einen Brief zugesandt, in dem er mich um ein Treffen bat.«
    »Aus welchem Anlass?« Monaros Stimme klang kühl und beinahe desinteressiert.
    »Um der alten Zeiten willen«, sagte sie und zuckte mit Achseln und Flügeln. »Zumindest hatte er das geschrieben. Es erschien mir völlig harmlos.«
    Ihr Gegenüber richtete seine Brille. »Was haben Sie ihm geantwortet?«
    »Gar nichts. Ich hatte nicht die Zeit. Dann kam die Order, nach Teriam zu fliegen. Ich war davon ausgegangen, ihn hier anzutreffen.«
    Monaro musterte sie; Kaleen fühlte sich, als würde sie von der Linse eines Aufzeichners durchleuchtet. »Es besteht die Chance, dass Telios versuchen wird, Sie erneut zu kontaktieren.«
    Sie nickte. »Selbstverständlich werde ich sofort Seine Exzellenz informieren, sollte dies geschehen.« Unfähig, seinem Blick noch länger standzuhalten, sah sie zum Fenster hinaus und ließ ein Seufzen vernehmen. »Ehrlich gesagt, hoffe ich immer noch, dass es sich bei alledem nur um ein Missverständnis handelt. Doch wenn nicht ...« Sie hielt inne. Es war Zeit für eine besonders dramatische Geste. Also sah sie zu ihm auf, in ihrer Miene alle Entschlossenheit und Aufrichtigkeit, die sie produzieren konnte. »So oder so: Sie können mit meiner vollen Unterstützung rechnen, Admiral.«
    Monaro nickte – hatte sie ihn überzeugt? Oder machte er bereits eine geistige Notiz, ihr seine Spürhunde auf den Hals zu hetzen? »Es sind schwierige Zeiten, Kaleen. Der Orden muss zusammenstehen.«
    »Natürlich«, sagte sie und musste all ihre Kraft aufbringen, ein hysterisches Lachen zu unterdrücken.
    Unten in der Stadt schlugen die Glocken zur dreizehnten Stunde; noch bevor der erste Schlag verklungen war, hörten sie unten auf dem Nexus-Boulevard die Stimme einer jungen Menschenfrau, wie aus einem zu laut eingestellten Geisterkubus: » Bürger von Kenlyn – hört mich an! «
    Zum ersten Mal erlebte Kaleen eine Gefühlsregung des jungen Admirals: Es war Verwirrung.
    Damit hatten sie einmal mehr etwas gemeinsam.
    Die Aufzeichnung wurde exakt zur dreizehnten Stunde Teriam-Zeit abgespielt; die Kuben, auf denen sie gespeichert
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