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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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Hotel trat, trieb sie der nasse Westwind in die Fußgängerzone. In einer Seitenstraße blieb sie vor einer Plakatwand stehen. Ein Café de Luxe kündigte einen Sixties-Tanzabend an, und Gräddhyllan warb mit der Abbildung eines alten Schallplattenspielers für eine Vinylbar an Freitagen und Samstagen. Vielleicht wäre das mal was. Ein Stück weiter die Straße runter fand sie schließlich den Pub, den die Kollegin Anette Hultin ihr empfohlen hatte, das Bishop’s Arms . Sie trat ein. Der Innenraum der Kneipe bemühte sich angestrengt, spätviktorianische Gemütlichkeit zu vermitteln. Auf breit gestreiften Textiltapeten hingen unzählige gerahmte Stiche und sepiafarbene Fotografien, an den Holzbalken unter der Decke Dutzende Kupferkessel, und in mehreren Ecken des verwinkelten Raums standen Kaminimitate. Sie bestellte sich ein Glas schwedisches Bier; es schmeckte süßlich. Als sie es ausgetrunken hatte, störte sie die gekünstelte Atmosphäre nicht mehr so sehr. Aber die Musik ging ihr auf die Nerven. Warum müssen britische Pubs eigentlich immer U2 spielen, fragte sie sich. Sie bestellte ein zweites Bier, diesmal eins, das sie kannte, ein Jever aus der Flasche, dazu einen Hamburger mit Pommes frites. Als sie Malzessig über die Pommes gießen wollte, fiel der Deckel ab und die braune Flüssigkeit schoss über den ganzen Teller auf den Tisch. Sie fluchte. Wütend biss sie in den Burger. Immerhin, das Essen schmeckte halbwegs gut, Pubfraß halt. Sie fragte sich, ob es in Växjö auch typisch schwedische Kneipen gab. Swedish Pubs . Vielleicht würde dort nicht U2 laufen, sondern ABBA. Oder Mikael Wiehe. Der Alkohol war wirklich ganz schön teuer hier. Aber Abstinenz war schließlich keine Alternative.
    Eine Woche war sie nun in Växjö. Ihre Kollegen schienen ganz in Ordnung zu sein, aber sie hatte den Eindruck, nicht richtig für voll genommen zu werden. Die Dinge, die man ihr zu tun gegeben hatte, waren Kinkerlitzchen: ein Ladendiebstahl und eine Einbruchsserie in Gartenhäuschen, so etwas hatte sie in Berlin im ersten und zweiten Berufsjahr mit Anfang zwanzig gemacht. Dazu kam, dass ihr permanent jemand über die Schulter zu schauen schien, ein Gefühl, das sie überhaupt nicht mochte. Noch nicht einmal eine Dienstwaffe hatte diese Ingrid Nyström ihr zugestanden. Die taten beinahe so, als hätten sie hier die Polizeiarbeit erfunden. Der ein oder andere Dienstablauf mochte sich von der Vorgehensweise in Deutschland unterscheiden, aber im Grunde war es dasselbe Handwerk. Und nächste Woche wollte man sie tatsächlich mit den Verkehrspolizisten auf Streife schicken, damit sie das Revier und alle Routinen von der Pike auf kennenlernte. So ein Blödsinn! Was, bitte schön, sollte sie mit einer Kelle in der Hand und einer umgeschnallten Warnweste lernen? An welchem Baum da draußen sich Hase und Igel Gute Nacht sagten?
    Vielleicht war sie ein bisschen ungerecht. Vielleicht lag das Problem nicht darin, dass man sie unterschätzte, sondern dass hier einfach sehr wenig passierte, jedenfalls wenn man es mit Kreuzberg, Neukölln oder dem Märkischen Viertel verglich. Aber viel schlimmer als im Revier waren die beiden Tage an der Hochschule gewesen. Dort saß sie zusammen mit zwanzigjährigen Schulabgängern. Sie war fast doppelt so alt. Na ja, nicht ganz, aber trotzdem: Oma Stina. Da ging es um Facebook und wo man am Wochenende billig auf dem Campus saufen konnte. War ja auch sonst nichts los hier. Am Mittwochabend hatte sie einen Spaziergang gemacht und war in einer Pizzeria gelandet, in der sie der einzige Gast war und in der kein Alkohol ausgeschenkt wurde.
    Doch eigentlich wusste Forss, dass ihre Unzufriedenheit einen ganz anderen Grund hatte. Sie war seit einer Woche in Schweden und war noch immer nicht bei ihrem Vater gewesen. Ein Teil von ihr redete sich ein, dass es an der Entfernung nach Ljungby liegen würde, aber das war natürlich Quatsch, die sechzig Kilometer hätte sie bequem nach Feierabend in einer Stunde fahren können, und selbst wenn sie sich noch nicht um ein eigenes Auto gekümmert hatte, wäre es ein Leichtes gewesen, sich einen Wagen zu mieten. Nein, sie hatte das Projekt Vater aufgeschoben bis aufs Wochenende, und sie wusste genau, warum. Und jetzt war auch schon der Samstag vorüber. Guter Vater. Böser Vater. Er war nun ein alter Mann, in dessen Kopf ein Tumor wucherte. Ach, Papa, natürlich komme ich zu dir, ich brauche nur noch ein wenig Zeit!
    Das Lokal war mäßig besucht für einen
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