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Roter Regen

Titel: Roter Regen
Autoren: Michael Moritz
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glauben würde? Nein, sie war Anna Popescu, Opfer und
Täterin, in eine Welt hineingeboren, die auf sie gespien hatte, ehe Lupescu
sich ihrer angenommen hatte. Lupescu hatte sich mit ihr keinen Brutus
gezüchtet. Das Trugbild der Hoffnung auf ein neues Leben in Unschuld hatte ihr
für Momente den Verstand genommen. Jetzt sah sie aber wieder klar. Sie gehörte
zu Lupescu, auf Gedeih und Verderb.
    »Hau ab, das ist eine Falle«, sagte sie.
    Lupescu erschrak nicht. Seine Augen blitzten nur für einen Moment,
dann poppten zwei leise Schüsse aus der Seitentasche seines Trenchcoats.
    Anna war dankbar für den Schmerz, der in ihr Inneres schoss. Die
Qual des Lebens hatte gleich ein Ende. Solange man lebte, hoffte man auf einen
besseren Tag – wie befreiend war es, nur noch das Jenseits als Hoffnung zu
wissen. Anna sah noch während des Zusammenbrechens in Lupescus Blick dessen
nächsten Zug. Und sie wusste, dass er falsch war. Sie wollte ihn warnen, aber
diesmal war es zu spät. Beim Sturz auf den Boden riss sie den Bildband von
Mario Bava mit, ihre schwarzen Fingernägel krallten sich in ein Foto, auf dem
ein weiß geschminkter Vampir gepfählt sein Maul aufriss. Aus ihrem Bauch quoll
es warm. Sie war kein eisiger Vampir, sie war ein Mensch aus Fleisch und Blut,
der schneller als andere denken konnte und sich dennoch verrechnet hatte.
    Belledin zögerte noch mit dem Zugriff auf Lupescu, da eine Gruppe
jugendlicher Gothics sich dem Laden näherte. Sie waren kurz bei dem
Straßenmusiker stehen geblieben, der gerade mit einer Mischung aus James Blunt
und Cat Stevens zu beeindrucken suchte. Die Gothics bedachten ihn mit
abfälligem Gelächter und gingen weiter. Eine der dunklen Gestalten entdeckte
das Licht im Flesh&Blood und testete, ob die Ladentür offen war. Verdutzt
blickte er seinen Kumpel an und betrat das Geschäft.
    Belledin fluchte. »Alle Ausgänge verschärft überwachen!«, zischte er
in seinen Ohrfunk. »Und pack die Gitarre ein, ich kann das Gedudel nicht mehr
hören!«
    Lupescu schrak herum, als er die Gothics hereinkommen sah. »Bader, Kundschaft«,
rief er ins Hinterzimmer. Aber Bader antwortete nicht.
    Lupescu reagierte sofort. Mit geschultem Blick musterte er die
Gothics. Das waren keine Polizisten, die Bleichlinge waren echt. Dennoch lag
ihm nicht daran, dass sie ihn mit der toten Anna hier sahen. Er drückte sich an
die Bücherwand und stahl sich im Halbdunkel durch den Raum.
    Die Gothics sahen sich um. Einer zeigte auf die Kamera, die den Raum
überwachte, als ein anderer einige einschlägige CD s
in seiner Kutte verschwinden lassen wollte, darunter einige Szene-Perlen wie
Zadera und Bloody Dead and Sexy.
    Lupescu gelang es, ungesehen im Hinterzimmer zu verschwinden. Dort
stieß er auf den geknebelten und gefesselten Bader. Der versuchte durch kehlige
Laute und Kopfzeichen die Richtung anzudeuten, in der sich Killian versteckt
hielt. Aber der hatte sich längst aus dem Staub gemacht.
    Ein Gothic-Mädchen begann zu kreischen, wie sie es sonst nur bei
Filmen wie »Werewolf in a Women’s Prison« von Jeff Leroy tat.
    Belledin fuhr der Schrei ins Gebein. Sofort gab er das Kommando zum
Stürmen. Auch die beiden Beamten, die anstelle von Lupescus Schergen dessen
Limousine besetzt hatten, verließen den Wagen. Belledins Strategie lautete
sofort anders: Zivile Personen schützen und Lupescu fassen. Es wäre zu schön
gewesen, Lupescu in seinem eigenen Wagen zu entführen. Aber solche Pläne
funktionierten nur in Krimis.
    Das Gothic-Mädchen kreischte noch immer. Vielleicht lag es auch an
den synthetischen Drogen, die sie sich in Kombination mit Wodka Soda
eingeworfen hatte, jedenfalls hatte sich ihr Bewusstsein dahingehend erweitert,
dass sie glaubte, mit einem Mal selbst in einem Splatter-Movie zu sein. Das
Blut, das aus Anna Popescus Bauch bereits den Weg auf das graue Laminat
gefunden hatte, begann in der Phantasie des Mädchens bis zu ihren Knöcheln zu
steigen. Die Ungeheuer, die plötzlich das Flesh&Blood stürmten, drohten sie
zu fressen. Eine Pranke presste sich auf ihre Lippen, um ihren Schrei zu
ersticken. Sie röchelte, dann kotzte sie dem Monster auf die Hand und verlor
die Besinnung.
    Lupescu nutzte das Chaos und verschwand aus dem Fenster zum Hof,
durch das Killian zuvor eingedrungen war.
    »Hände hoch! Und keinen Widerstand!«, schrie eine Stimme, die zuvor
als Straßenmusiker den Abend in der Altstadt versüßt hatte. Lupescu drehte sich
um und schoss trocken aus der Seitentasche seines
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