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Rosenrot

Titel: Rosenrot
Autoren: Arne Dahl
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nicht um das, was für die A-Gruppe gewöhnliche ›Gewaltverbrechen von internationalem Charakter‹ waren, weit gefehlt. Die Frage war, ob es die Steinewerfer waren, die für ›Gewaltverbrechen von internationalem Charakter‹ standen, oder die Polizei, und diese Frage war zutiefst unangenehm. Manche aus der A-Gruppe waren bereits in den Ferien, der Rest saß ein bisschen distanziert da und betrachtete das Schauspiel, und die allerwaghalsigsten erlaubten sich wirklich, die leichter zu definierenden Widerwärtigkeiten zu vermissen.
    Kerstin Holm musste zugeben, dieser wenig illustren Schar angehört zu haben.
    Sie verließ das Festland und bewegte sich hinüber auf diejenige von Stockholms Inseln, die den Namen Kungsholmen trägt und auf der neben vielem anderen das Polizeipräsidium zu Hause ist. Es war nicht mehr richtig wie früher.
    Als sie mit immer noch ziemlich leichten Schritten in die Fleminggata einbog und die bleiche Sonne hinter sich zurückließ, scheuerte es wieder an ihrer linken Hand.
    Unter dem glatten Ring an ihrem Ringfinger schauten ein paar rosenrote Farbsplitter hervor.
    Nein, nicht rosenrot.
    Porscherot.
    Sie wurde beinah – aber nur beinah – rot, als sie die stark befahrene Fleminggata hinunterlief und sich der polizeilichen Behörde näherte, als deren Teil sie sich genaugenommen zu betrachten hatte. Obwohl es ihr nicht richtig so vorkam. Auf ihrer Schulter saß nämlich – ja, natürlich war er es – Jiminee Grille und zirpte ihr ins Ohr: ›Dürfen Polizisten wirklich die Autos von Mitbürgern ritzen, so dass sich Farbsplitter lösen?‹ Sie antwortete, und dabei schwoll ihre Nase schon ein bisschen an: ›Aber er ist bei Rot gefahren! Er stand quer auf dem Fußgängerüberweg! Und da sah Jiminee Grille sie nur an, und mit dem Blick war nicht zu spaßen. Dann verschwand er.
    Plopp.
    Mit kläglicher Feinmotorik versuchte sie – im Laufen – die Porschefarbe vom Ring zu polken. Was gar nicht so einfach war. Nach einer Weile konnte den obengenannten eine weitere Farbnuance zugefügt werden, nämlich ›blutrot‹.
    Göteborg, ja ... ihre Heimatstadt.
    Sie blickte auf den Ring. Dass sie ihn nicht abnahm. Es war der Verlobungsring von einer vor undenklichen Zeiten abgebrochenen Verlobung. Dag. Dag Lundmark. Der Kollege in Göteborg, der die Nächte damit verbrachte, sie – ganz unbewusst – zu vergewaltigen. Er glaubte ganz einfach, dass es so sein müsse. Ich nehme, du wirst genommen. Mann, Frau. Ein sehr sonderbares Verhältnis.
    Dag, ja, dachte sie und drehte ein wenig am Ring. Es tat weh. Er saß fest. Deshalb hatte sie ihn nicht abgenommen. Sagte sie sich. Mehrmals. Viel zu oft.
    Dann, mit der unbarmherzigen Logik der Detektivin: Und wieso hat dann die Porschefarbe Platz darunter gefunden?
    Weg.
    Heck, meck, Katzendreck, wie Paul Hjelm zu sagen pflegte, wenn er einen Sonnenstich hatte. Was dann und wann vorkam.
    Aber nein. Dag. Was ist aus Dag geworden? Totaler Bruch. Keine Kinder. Keine Verbindung. Plötzlich war man verschwunden aus dem Leben des anderen.
    Ihr waren Gerüchte zu Ohren gekommen. Er hatte damals schon zuviel getrunken. Dann war er wegen Trunkenheit im Dienst suspendiert worden. War es nicht so? Nein, sie wusste es nicht. Sie erinnerte sich aber sehr deutlich daran, wie er ihr den Ring über den Finger gestreift hatte. In diesem rosenroten kleinen Ecklokal in Haga. Die rosenroten Wände. Die Rose in der Hand. Doch, bestimmt war er auf die Knie gefallen. Das konnte sie nicht geträumt haben. Und diese Worte, die ...
    Eine Schlagzeile auf einem Aushänger vor einem Seven Eleven – genau da, wo die Fleminggata die Scheelegata kreuzt -unterbrach sie in ihren Gedanken.
    Nicht schon wieder.
    ›Extrameldung. Polizei erschießt Asylbewerber. Tödliche Schießerei in Flemingsberg.‹
    Es muss schon einiges passieren, um Kerstin Holm aufzuhalten, wenn sie zur Arbeit joggt, aber jetzt blieb sie tatsächlich stehen. Abrupt. Ließ die lautstarken Proteste ihrer Beinmuskeln ungehört. Es war so trostlos. Eine Gewaltspirale ohne Ende. Die Gewalt gegenüber der Polizei nahm auffallend zu. Und gemäß einer unabhängigen Untersuchung hatte die Polizei nach den Polizistenmorden von Malexander eine spürbare Neigung an den Tag gelegt, zur Waffe zu greifen. Gar nicht davon zu reden, wie sie plötzlich gegen die Demonstranten in Göteborg losgeschlagen hatte. Die Migrationsbehörde trug aktiv dazu bei, für Asylbewerber auf der Flucht Fallen aufzustellen, und vor gar nicht langer
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