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Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter
Autoren: Astrid Lindgren
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als die Druden.
    Birk legte ihr den Arm um die Schultern. Was auch geschah, sie würden zusammenbleiben, Schwester und Bruder, nichts würde sie jetzt mehr trennen können.
    Und die Druden suchten rasend vor Zorn. Wo waren die Menschlein geblieben?
    Jetzt war es an der Zeit, sie zu zerfetzen. Wieso gab es denn keine Menschlein mehr? Da war nur ein Baum mit dichter Krone, den die Strömung schnell den Fluß hinabtrieb. Was sich unter den grünen Zweigen verbarg, das sahen die Druden nicht, und heulend vor Wut flogen sie umher und suchten und suchten.
    Aber Ronja und Birk waren bereits weit weg und hörten das Geheul nicht mehr.
    Sie hörten nur noch das Tosen, das stärker und stärker wurde, und sie wußten, jetzt ist es soweit. »Meine Schwester«, sagte Birk.
    Ronja hörte es nicht, las es aber von seinen Lippen. Und obwohl keiner von beiden auch nur ein Wort verstehen konnte, sprachen sie miteinander. Über Dinge, die gesagt werden mußten, ehe es zu spät war. Darüber, wie gut es war, jemand so zu lieben, daß man selbst das Schwerste nicht zu fürchten brauchte.
    Darüber sprachen sie, obwohl kein Wort zu verstehen war.
    Dann schwiegen sie. Sie hielten einander umschlungen und schlossen die Augen.
    Plötzlich spürten sie einen so heftigen Stoß, daß sie zusammenfuhren. Die Birke hatte den Glupaklumpen gerammt, und der Stoß brachte den Baum zum Kreiseln.
    Er änderte die Richtung und ehe die Strömung ihn wieder einfangen konnte, war er bereits ein gutes Stück auf das Ufer zugetrieben. »Ronja, wir versuchen es!«
    schrie Birk.
    Er riß sie vom Ast los, an den sie sich geklammert hielt. Gleich darauf waren beide mitten in den schäumenden Strudeln. Und jetzt mußte jeder allein ums Überleben kämpfen gegen die erbarmungslose Strömung, die sie mit aller Gewalt zum Glupafall treiben wollte. So nahe vor sich sahen sie das ruhige Wasser am Ufer, so nahe, und doch so unerreichbar. Der Glupafall gewinnt schließlich doch, dachte Ronja. Sie hatte keine Kraft mehr. Sie wollte nur noch aufgeben, sinken, sich davontreiben lassen und im Glupafall verschwinden. Aber dicht vor sich sah sie Birk. Er wandte den Kopf und schaute sie an. Wieder und wieder wandte er sich nach ihr um, und da versuchte sie es aufs neue. Versuchte es mit letzter Kraft bis sie nicht mehr konnte.
    Aber da war sie bereits im ruhigen Wasser, und Birk zog sie mit sich bis zum Ufer. Dann verließen auch ihn die Kräfte. »Aber wir müssen . . . Du mußt...«
    keuchte er. Und in äußerster Verzweiflung zogen sie sich am Ufer hoch. Dort in der Sonnenwärme schliefen sie auf der Stelle ein und wußten nicht einmal, daß sie gerettet waren. Erst als die Sonne sich schon neigte, kamen sie zurück zur Bärenhöhle. Und dort auf der Felsplatte saß Lovis und wartete.

15.
    MEIN KIND«, SAGTE LOVIS, »WIE NASS DEIN HAAR IST! BIST du geschwommen?«
    Ronja stand still da und sah ihre Mutter an. Da saß sie, an die Bergwand gelehnt, so unerschütterlich und sicher wie der Berg selbst. Voll Liebe sah Ronja sie an und wünschte, sie wäre ein andermal gekommen. Wann auch immer, nur jetzt nicht!
    Jetzt wäre sie mit Birk gern allein gewesen. Ihr war, als bebe ihre Seele noch immer von all dem Grausigen und Bösen, oh, wenn sie doch jetzt mit Birk allein sein, mit ihm zur Ruhe kommen und sich mit ihm allein darüber freuen könnte, daß sie noch lebten!
    Aber da saß nun Lovis, ihre liebe Lovis, die sie so lange nicht gesehen hatte.
    Nein, ihre Mutter durfte nicht glauben, sie sei nicht willkommen! Ronja lächelte sie an.
    »Ja, wir sind ein bißchen geschwommen, Birk und ich.« Birk! Sie sah, daß er schon auf dem Weg in die Grotte war, und das wollte sie nicht. Das durfte nicht sein. Sie stürzte hinter ihm her und fragte leise: »Willst du meine Mutter nicht begrüßen?«
    Birk sah sie kalt an.
    »Ungebetene Gäste begrüßt man nicht. Das brachte mir meine Mutter schon bei, als ich noch an ihrer Brust lag.« Ronja stöhnte auf. Es tat weh, gleichzeitig so rasend wütend und so rasend verzweifelt zu sein. Da stand er, Birk, und sah sie mit eiskalten Augen an. Derselbe Birk, dem sie eben noch so nahe gewesen war, dem sie bis in den Glupafall hatte folgen wollen. Jetzt ließ er sie im Stich, war ein Fremder geworden, oh, wie sie ihn verabscheute, nie zuvor war- sie so erbittert über ihn gewesen. Aber eigentlich war es nicht nur Birk, den sie verabscheute. Alles verabscheute sie, alles und jedes, alles und alle, die an ihr zerrten und rissen, so daß sie fast in
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