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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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die Verhafteten gute Katholiken seien - und dennoch stecken sie im Loch. Über Nacht erklärt man bestens beleumundete Bürger zu Ketzern! So einfach ist das heutzutage.“
    „Sprich doch nicht immer so laut, Mengarde!“ ermahnte sie Rixende, während sie begann, sich für den Kirchgang zurechtzumachen. „Noch sind wir hier Gäste. Denn wenn mein Zukünftiger mich nicht mag, so musst du mich wieder mit nach Hause nehmen, Muhme!“
    „Das wäre nicht so schlimm“, Mengarde gluckste leise in sich hinein, „nein, nein. Mein Enkel Christian hat doch längst ein Auge auf dich geworfen, mein Kleine!“
    „Still, still - alle Welt denkt doch, er ist mein Bruder, Mengarde“, sagte Rixende vorwurfsvoll. „Er ist ein lieber Kerl, aber, ehrlich gesagt, innige Gefühle habe ich nie für ihn empfunden.“
    Christian Ripoll, des Bayles jüngster Sohn, war sieben Jahre älter als Rixende. Dennoch hatte eine gewisse Vertrautheit unter ihnen geherrscht, und er hatte sie früher häufig auf seine Unternehmungen mitgenommen. Er war mit ihr durch dunkle, wilde Tannenwälder hinauf zum großen Wasserfall von Gavarnie geklettert, der in mächtigen Kaskaden den Fels hinabtoste, und hatte ihr die isards gezeigt, wie die Bauern die kleinen grauen Gemsen nannten, die hurtig von Fels zu Fels sprangen. Oftmals hatten sie auch zusammen Forellen geangelt, von denen es nur so wimmelte in den reißenden Gebirgsbächen, oder das Lammen der Schafe beobachtet. Er machte sie auf den stolzen Königsadler aufmerksam, der hoch oben einsam seine Runde zog, pflückte ihr gelbe Bärenöhrlein und steckte ihr duftendes Geißblatt ins Haar. Eines Tages hatte er sie sogar auf ein Nest fahlroter Geier aufmerksam gemacht, die gerade Junge hatten. Rixende liebte Tiere und wusste gut mit ihnen umzugehen. Als einzige im Haus des Bayle hatte sie nämlich das Kunststück fertiggebracht, die stolze Ginsterkatze mit dem langen Schwanz, die das Korn in der Tenne vor Mäusen schützte, zu streicheln, was Rixende mit Stolz erfüllte und die jüngeren Kinder aus der Nachbarschaft ihr heftig neideten.
    „Ich weiß, dass du in Christian nur den Bruder siehst, obwohl er mit dir gar nicht verwandt ist“, lenkte Mengarde ein und erhob sich ächzend. Am liebsten wäre sie schon wieder nach Hause gefahren, wo viel Arbeit auf sie wartete, doch das Versprechen, das sie Rixendes Vater gegeben hatte, sich bis zur Hochzeit um sein Töchterlein zu kümmern, musste gehalten werden. Längst ging es nicht mehr um die große Summe Geldes, die sie und ihr Sohn, der Bayle, für die Aufnahme an Kindesstatt bekommen hatten, die Muhme hatte Rixende tief in ihr Herz geschlossen.
    „Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, du verbirgst deine wahren Gefühle vor jedermann“, meinte sie. „Vielleicht liegt es daran, dass man dich so früh von deiner Mutter getrennt hat. Aber lass uns jetzt zur Messe gehen und den lieben Gott bitten, dass er Feuer und Schwefel auf diejenigen herabfahren lässt, die noch immer Unschuldige verhaften und unter dem Schafspelz ihre Wolfsnase verbergen.“

    Zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Carcassonne – die Aufregung über die inhaftierten Bürger Albis hatte sich gerade etwas gelegt – wachte Rixende mitten in der Nacht auf. Ein Poltern und Lärmen drang zu ihren Gemächern herauf, verhaltene Stimmen und Lachen. Sollte Aimeric zurückgekommen sein? Rixendes Herz fing zu klopfen an. Erwartete man von ihr, dass sie um diese Zeit aufstünde, ihn zu begrüßen? War dies schicklich?
    Da pochte es schon an ihre Tür.
    „Er ist wieder da, der junge Herr“, flüsterte ihr Mengarde zu, die Nachthaube verwegen in den Nacken geschoben, „und ich kann dich beruhigen, mein Täubchen, er ist keineswegs ein häßlicher Vogel. Auch scheint er von freundlichem Wesen zu sein. Ich bin ihm nämlich geradewegs in die Arme gelaufen, als ich mir aus der Küche einen Krug mit frischem Wasser holen wollte.“
    Rixende lächelte über Mengardes Neugierde und beschloss nach kurzem Zögern, sich wieder zu Bett zu begeben. Närrinnen gab es schon genug in diesem Hause.
    Als sie sich am nächsten Morgen anschickte, die Messe zu besuchen, stand er plötzlich vor ihr. In grünes Tuch gekleidet, eine dunkle, pelzverbrämte Samtkappe auf mittelbraunen schulterlangen Haaren, war er nur wenig größer als Rixende und neigte wie sein Vater etwas zur Rundlichkeit. Doch als er seiner Braut entgegenging, um sie zu begrüßen, leuchteten seine Augen auf. Eine solch schöne Frau hatte er
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