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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte
Autoren: Ian Fleming
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Gewohnheitstrinker neigen dazu, die Charakteristika ihres Temperaments zu übertreiben. Major Smythe war Melancholiker. Düstere Phantasiebilder verbanden ihn mit den Vögeln, Insekten und Fischen, die seinen fast drei Hektar großen Grundbesitz bevölkerten. Wavelets, »kleine Wellen«, hatte er bezeichnenderweise seine kleine Villa an der blauen Küste mit dem Korallenriff davor genannt. Die Fische waren seine besonderen Freunde. Er kannte sie einzeln, da im Riff lebende Fische selten abwandern und recht seßhaft sind. Nach zwei Jahren liebte er sie und war überzeugt, daß auch sie ihn liebten. Zumindest kannten sie ihn und zeigten keinerlei Scheu, wenn er sich bei der täglichen Fütterung zwischen ihnen bewegte. Doch an diesem Morgen um 10 Uhr 30 erfuhr Major Smythes ohnehin schon recht tristes Dasein eine deutliche Wendung zum Schlechteren. Und an allem war dieser James Bond schuld.
    Seinen Frühtrunk nahm er sonst um elf, aber seit einigen Monaten hatte er ihn auf 10 Uhr 30 vorverlegt. Er goß sich gerade seinen »Säufertrunk« ein - Brandy mit Ginger Ale -, da hörte er den Wagen in der Auffahrt.
    Luna, seine farbige Haushälterin, kam in den Garten und verkündete: »Da will Sie einer sprechen, Major.«
    »Wer denn?«
    »Hat er mich gesagt, Major. Sagt nur, soll Ihnen sagen, er kommen von Regierung.«
    Major Smythe trug nur eine alte Khakihose und Sandalen. Ein kalter Schauder lief ihm über den Rücken. Regierung? Was zum Teufel...
    »Gut, Luna«, sagte er. »Bitte ihn ins Wohnzimmer und sage ihm, ich komme gleich.«
    Er trat durch die Hintertür ins Haus, zog sich im Schlafzimmer ein weißes Buschhemd und eine Hose über und kämmte sich. Schon als er den hochgewachsenen Mann in dem dunkelblauen Tropenanzug am Panoramafenster seines Wohnzimmers stehen und aufs Meer hinausblicken sah, spürte Major Smythe das nahe Unheil. Als der Mann sich dann umdrehte und ihn aus ernsten, grau-blauen Augen prüfend ansah, da wußte Smythe, daß er in offizieller Mission hier war; und als der Mann sein Lächeln nicht erwiderte, wurde ihm klar, daß diese Mission nicht freundlich gemeint sein konnte. Ein Schauder lief Major Smythe über den Rücken. Sie waren ihm irgendwie dahintergekommen. »Soso, Sie kommen also von der Regierung. Ich bin Major Smythe. Wie geht's Sir Kenneth?« Von einem Händedruck war erst gar nicht die Rede.
    »Ich habe ihn noch nicht gesehen«, antwortete der Mann. »Ich bin erst vor zwei Tagen eingetroffen und habe mich ein wenig auf der Insel umgesehen. Mein Name ist Bond, James Bond. Ich komme vom Verteidigungsministerium.«
    Diese beschönigende Umschreibung von Secret Service war
    Major Smythe noch gut bekannt. Sein Humor wirkte ein wenig verkrampft: »So - die alte Firma gibt's also noch?«
    Bond überhörte die Frage. »Können wir uns hier irgendwo unterhalten?«
    »Aber sicher. Wo Sie wollen. Hier oder im Garten? Wie wär's mit einem Drink?« Major Smythe hielt immer noch sein Glas in der Hand. Er ließ die Eiswürfel klappern. »Das ortsübliche Gift ist Rum mit Ginger Ale. Ich selbst trinke nur Ginger.« Die Lüge kam ihm so glatt über die Lippen wie jedem Alkoholiker.
    »Nein, danke. Wenn Sie wollen, bleiben wir gleich hier.« Bond lehnte sich lässig an den breiten Fenstersims aus Mahagoniholz.
    Major Smythe ließ sich in einem der bequemen Pflanzersessel nieder, die er von einem hiesigen Schreiner nach einem alten Original hatte nacharbeiten lassen. Er ließ ein Bein gemütlich über die Lehne baumeln. Aus der anderen Armlehne zog er den Glashalter heraus, nahm noch einen tiefen Schluck und schob dann sein Glas in den Holzring. Dabei gab er sich alle Mühe, ein Zittern seiner Finger zu unterdrücken. »So«, sagte er jovial und sah dem anderen gerade ins Auge. »Was kann ich für Sie tun? Hat sich jemand an der North Shore die Hände schmutzig gemacht? Brauchen Sie einen Nothelfer? Da leg ich mich gern wieder ins Geschirr. Ist schon eine ziemliche Weile her, aber so ganz aus der Übung bin ich noch nicht.«
    »Darf ich rauchen?« Bond hielt seine Zigarettendose schon in der Hand. Sie war flach, aus mattem Stahl gearbeitet und faßte an die fünfzig Zigaretten.
    Dieses kleine Zeichen einer gemeinsamen Schwäche gab Major Smythe ein wenig Auftrieb. »Aber sicher, mein lieber Freund.« Er griff nach dem Feuerzeug und machte eine Bewegung, als wolle er sich erheben.
    »Danke, geht schon.« James Bond hatte sich die Zigarette bereits angezündet. »Nein, es handelt sich nicht um einen
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