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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Autoren: Patricia Highsmith
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Blondine neben ihm, eine beeindruckende Schönheit, ganz ohne Make-up, mußte seine Frau sein.«
    Warum empfinden wir diese Schilderung als Überraschung? Erstens, weil uns Tom Ripley auf den vorangegangenen Seiten, zu schweigen von den vorangegangenen Bänden Der talentierte Mr.   Ripley (1955) und Ripley [386]  Under Ground (1970), nicht unbedingt als extravagant auftretender Mann begegnet ist. Zwar wählt er die ihn umgebenden Dinge mit unzweifelhaftem Geschmack, aber man würde ihn wohl eher einen klassischen als einen modischen oder gar flamboyanten Typus nennen. Zweitens mag dem Leser durch die Szene im Foyer überhaupt erst bewußt werden, daß der Virtuose der Selbsterfindung eine sichtbare Außenhülle hat, die gesellschaftlich wahrgenommen und gesellschaftlich bestimmt wird. Er ist also groß, dieser immer noch junge Amerikaner, dem man auch nach mehreren Jahren im Ausland seine transatlantische Herkunft sofort anhört, er ist »unfranzösisch«, hat jenes weiche braune Haar, das die Autorin den ihr teuren Figuren so gern mitgibt, er hat eine blonde Frau von sechsundzwanzig Jahren, die es sich leisten kann, an diesem Abend im Theater von Fontainebleau nahezu ungeschminkt zu gehen – und er trägt ein pflaumenfarbenes Satinjackett! Vielleicht ist es ja der Kontrast zwischen dem blonden Haar und dem kühnen Pflaumenton, der die Überraschung auslöst. Dieser junge Mann mit der schönen französischen Frau hat tatsächlich all die Morde auf dem Gewissen, von denen wir lesen, und kommt damit auch noch durch? Immerhin gibt es Leute wie Simone Trevanny, die ihn dafür (oder doch für den unappetitlichen Verdacht, der an ihm haftet) mit jeder Faser ihres Herzens ächten.
    Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um psychologische Wahrscheinlichkeit im Sinne des realistischen Romans. Sondern um die Bestandteile des Charakterbilds und die Mittel, mit denen die Autorin es herstellt. In dieser Beziehung war mit dem dritten Ripley-Roman [387]  von 1974, dem Werk, das aus dem abermals davongekommenen Mörder des zweiten Buches einen Serienhelden machte, ein kritischer Punkt erreicht. Würde es Patricia Highsmith gelingen, ihrer Figur treu zu bleiben, ohne deren Gesten und Taten wie müde Wiederholungen früherer Abenteuer erscheinen zu lassen? Würde sie gar neuen Platz für kommende Titel schaffen können? Zumindest eines fällt sofort ins Auge: So wie der Vorgänger-Roman Ripley Under Ground den »Nebenhelden«, den Maler Bernard Tufts, aus dem Weg räumt, so muß auch der Nebenheld in Ripley’s Game, Jonathan Trevanny, als Toter die Bühne verlassen, um Tom die Möglichkeit eines unbelasteten Neuanfangs zu geben. Nur beiläufige Gedanken bei der Gartenarbeit, daheim in seiner Villa mit dem sinnreichen Namen Belle Ombre, werden den amerikanischen Aufsteiger an die Opfer erinnern, die seine kriminelle Karriere gefordert hat.
    Daß aber auch Tom älter und womöglich weicher wird, sieht man daran, daß er sich seinen toten Freunden immer mehr annähert. Genauer, daß er ihnen, solange sie leben, nicht mehr soviel Gewalt antun muß wie bei jenem allerersten Mord, der das Fundament seiner geistigen und materiellen Existenz legte. Den freundschaftlich umworbenen Dickie Greenleaf, im Talentierten Mr.   Ripley, mußte er noch eigenhändig erschlagen, um sich seiner Kleider zu bemächtigen und in seine Identität zu schlüpfen. Bernard Tufts aus Ripley Under Ground dagegen, auch wenn Tom ihn in einer absurden Pantomime durch Salzburg jagt, wählt den Selbstmord aus freien Stücken. Jonathan Trevanny in Ripley’s Game schließlich wird von der Kugel eines [388]  Mafiakillers niedergestreckt, die andernfalls wohl Tom getroffen hätte: Grund genug, den englischen Bilderrahmer, der stets ohne egoistisches Kalkül gehandelt hat, in dankbarer Erinnerung zu bewahren.
    Diese Tendenz hat ihre Entsprechung. Im selben Maß, wie die Gefühlsbindungen zu anderen Männern wachsen, schrumpfen die Gemeinsamkeiten zwischen Tom und Héloïse und gefrieren auf dem allerkonventionellsten Niveau. Überhaupt läßt sich der Roman wohl kaum verstehen, wenn man nicht fragt, was darin eigentlich geschieht, nämlich jenseits der Oberflächenreize namens Mord, Vertuschung und Vergeltung, die Patricia Highsmith in ihrem Buch so geschickt für die prächtigen Feuerwerke des Suspense nutzt.
    Einem Mann, seit Jahren an Leukämie erkrankt und an Medikamente gewöhnt, wird eine morbide Idee angetragen. Er soll als Auftragsmörder fungieren,
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