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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
Autoren: Yannik Mahr
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Lieblingsbrot der Deutschen hat wenig Spektakuläres, und leichte Kost ist es schon gar nicht. Dafür soll es ja immerhin tierisch gesund sein …

Ein heikles Kapitel, oder: Knöllchen-Horst

    Zugegeben: Die Sache mit dem Petzen und Denunzieren, in düsterer Vergangenheit eine der größten und widerlichsten Schwächen der Deutschen, ist besser geworden. Viel besser sogar, aber eben immer noch nicht gut genug. Einige können es einfach nicht lassen.
    Damit meine ich jetzt ausnahmsweise einmal nicht Herrn Müller-Hohenstein. Nein, es geht um Knöllchen-Horst, einen Frührentner, der jahrelang in seiner Heimatstadt Osterode Falschparker angeschwärzt hat. Mehr als 15000 Anzeigen kamen so zusammen, selbst einen Hubschrauber im Rettungseinsatz hat Knöllchen-Horst fotografiert und gemeldet.
    Man kann sich vorstellen, dass einer wie er im Harz nicht gerade viele Freunde hat. Aber das war – und ist – ihm egal, genauso wie Hausverbote in Gaststätten oder Morddrohungen auf dem Anrufbeantworter. Knöllchen-Horst sorgte weiter für Ordnung in Osterode, schrieb mehr Autonummern auf, als viele Dörfer in der Umgebung Einwohner haben, und würde wahrscheinlich heute noch durch die Straßen streifen, wenn er nicht plötzlich selbst einen Bußgeldbescheid in seinem Briefkasten gefunden hätte.
    Nein, Knöllchen-Horst hatte nicht falsch geparkt, das nun wirklich nicht. Aber zu schnell gefahren war er und dabei fotografiert worden: 63 in einer Tempo-50-Zone, macht zehn Euro Verwarngeld.
    Doch Knöllchen-Horst wäre nicht Knöllchen-Horst, wenn er die zehn Euro einfach gezahlt hätte. Er legte Widerspruch ein, warf dem Landkreis Osterode „Verletzung des Rechts am eigenen Bild“ vor und ließ es am Ende zu einem Prozess vor dem Amtsgericht kommen, der ihn natürlich wieder in die Zeitung mit den großen Buchstaben und in viele andere Blätter brachte.
    Wie die Geschichte ausging, wollen Sie wissen? Knöllchen-Horst musste zahlen und kündigte an, seine Tätigkeit als professioneller Hobby-Verkehrsüberwacher zu unterbrechen. Er will seine wertvolle Zeit künftig lieber rechtswidrigen Abfallgebührenbescheiden widmen.

Deutsche Katastrophen

    In Wirklichkeit gibt es seit der Wiedervereinigung nur drei Katastrophen, die der Deutsche wirklich als solche empfand: die Einheit selbst, die Abschaffung der D-Mark und die Verletzung von Michael Ballack kurz vor der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika.
    Während man sich in anderen Ländern zeitgleich über abstürzende Börsen und de facto zahlungsunfähige Länder in der Größenordnung Griechenlands Gedanken machte, strahlte das Erste Deutsche Fernsehen direkt nach der Tagesschau eine Sondersendung aus, die sich im Wesentlichen um einen Knöchel drehte. Gut, es war der des Kapitäns der deutschen Nationalmannschaft, den ausgerechnet ein Sportler des späteren Gruppengegners Ghana so getroffen hatte, dass Ballack wochenlang nicht würde spielen können. Aber musste deswegen gleich das ganze Programm geändert werden? Es musste, nicht nur in der ARD, sondern auch im ZDF. Und auf den privaten Nachrichtensendern war Ballacks WM-Aus die breaking news. Das Interesse am schlechten Gesundheitszustand des Bundesfinanzministers verkam angesichts der Bilder des humpelnden Kapitäns zur Randnotiz: Wer, bitte schön, ist Wolfgang Schäuble? Und was nutzt er uns bei der WM? Konnte ja keiner ahnen, dass es in Südafrika ohne Michael Ballack viel besser laufen würde …
    „Im Fußball geht es nicht um Leben und Tod. Es ist noch viel ernster!“ Dieser Spruch, der von einem britischen Fußballtrainer stammen soll, gilt tatsächlich für die Deutschen wie für kaum eine andere Nation.
    Fußball ist die Sprache, die alle verstehen, was allerdings bei Gesängen wie „Olé, Olé, Olé, Olé, Super-Deutschland, Olé, Olé“ oder „Sieg! Sieg! Sieg! Sieg!“ so schwer nicht ist. Fußball ist eines der letzten Felder, auf dem die meisten Länder noch Respekt vor uns haben. Exportweltmeister können die Chinesen werden. Aber auf dem Platz, wo die Wahrheit liegt? Ha! Und wenn auf einer Auslandsreise einmal nichts mehr geht, wenn die Einheimischen weder unsere Sprache noch Denglisch sprechen, hilft in der Regel ein einfaches „Oliver Kahn“ oder ein schnelles „Beckenbauer“, und alle fallen sich singend in die Arme. „Ah, Germany, Ballack, Ballack!“, war in den vergangenen Jahren eine der meistgehörten Antworten, die ein Deutscher erhielt, wenn er im Urlaub erklärte, woher er kam. Auch
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