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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Autoren: Emma Bieling
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mich für einen Job? Das kann ich nicht glauben! Und er bedeutet dir mehr als ich?«
    Ich überlegte, wen er meinen könnte. »Wer?«
    »Der Job, für den du mich verlässt. Oder hast du etwa auch noch einen besseren Visagisten gefunden und vergessen, ihn zu erwähnen?«
    »Gott, nein! Ich serviere dort Getränke auf einem Bestattungsboot.«
    Richard wurde bleich. »Tote? Du meinst, du fährst mit Verstorbenen übers Meer, die dann über Bord geworfen werden?«
    Von dieser Seite hatte ich es selbst noch nicht betrachtet. Aber irgendwie stimmte es.
    »Ja!«
    »Du meine Güte … Du musst sie doch nicht etwa anfassen?«
    Elke schlug die Hand vor ihren Mund. »Ich glaub, ich muss kotzen.« Sie sprang auf und lief hinaus. Sarah blickte ihr nach. Es schien, als überlegte sie, es Elke gleichzutun.
    »Was ist eigentlich so schlimm daran?«, fragte ich, erzürnt über die Reaktionen. »Es ist doch nur ein Saisonjob, nichts weiter.«
    Nach dem Abschiedsdinner packte ich meine Sachen zusammen. Dass ich mich nicht wirklich auf die wichtigsten Klamotten konzentrieren konnte, lag nicht nur am Wein, sondern auch an Richards hysterischem Anfall nach der Verkündung meiner Abreise. Es dauerte genau bis zum Morgengrauen, bis er sich wieder beruhigte und auf meinem Bettsofa einschlummerte. Ich überlegte, mich in Richards Zimmer zu verdrücken, kuschelte mich aber an ihn und hielt seine Hand, während ich versuchte einzuschlafen. Immerhin würde ich ihn, meinen allerbesten Freund, für eine lange Zeit nicht mehr sehen können. Müdigkeit durchströmte meinen Körper, dennoch fiel es mir schwer, Richard ins Land der Träume zu folgen. Zuviele Gedanken rasten durch meinen Kopf. Was, wenn ich nicht seetauglich war? Oder wenn mich die Knödelmeyer bis zur Rapunzel-Premiere ersetzen würde? Zu hart hatte ich dafür gekämpft, sogar mein ganzes Leben darauf ausgerichtet. Und jetzt? Jetzt hatte mich eine Bratpfanne aus der Bahn geworfen und stellte mein gesamtes Dasein in Frage. Ich musste an meine Kindheit denken und an die Leiterin des einzigen Heimes, das sich in einem restaurierten Turm befand. Ein Kulturschock, nannte es Richard immer. Aber einer, der mich täglich an die Geschichte des Rapunzels erinnerte und mir ihre Lebensweise näherbrachte. Irgendwann kam dann der zündende Funke: Ich werde professionelle Schauspielerin und das erfolgreichste Rapunzel der Welt. Fast acht Jahre hatte ich dafür gearbeitet, gejobbt und gespart – Nacht für Nacht in den schlimmsten Kneipen. Und Richard war immer für mich da gewesen.
    Als der Wecker klingelte, fuhr ich erschrocken hoch. Was? Wo? Wie spät? Noch leicht benebelt vom Umtrunk, versuchte ich aufzustehen, verlor aber das Gleichgewicht und sank zurück.
    »Autsch!«, beschwerte sich Richard, auf dessen Arm ich gelandet war. »Geh runter! Und überhaupt, was machst du in meinem Bett?«
    »Entschuldige, aber das ist mein Bett.«
    Er blinzelte sich um. »Tatsächlich. Und was tue ich hier?«
    Ich zuckte mit den Schultern und wagte einen erneuten Versuch aufzustehen. Diesmal klappte es. Nur entsprach mein Gang dem eines orientierungslosen Kleinkindes.
    »Jetzt weiß ich wieder … Du willst nach Rügen, nicht wahr? Oder war das nur ein Alptraum?« Er strich nachdenklich sein Kopfhaar nach hinten.
    »Kein Alptraum. Ich fahre noch heute«, half ich seiner Erinnerung auf die Sprünge.
    »Ah ja. Mit dem Zug?«
    »Nein! Mit Mokkaböhnchen.«
    Richard richtete sich auf. »Du beliebst zu scherzen.«
    Ich warf mir meinen Morgenmantel über und öffnete die Zimmertür. »Einen Kaffee?«, fragte ich, ohne zurückzublicken und auf seine Frage einzugehen.
    »Mit drei Stück Zucker bitte. Und solltest du im Kühlschrank noch etwas Verstand finden …«
    »Ich habe es kapiert!«, unterbrach ich seine ironische Bemerkung. »Und egal, wie dusselig du meine Entscheidung und den Job auch finden magst, ich gehe trotzdem.«
    »Na schön! Dann geh doch! Und wirf Leichen über Bord und bitte gleich noch ein Stück Zucker mehr in meinen Kaffee. Soll ja angeblich die Glückshormone anregen.«
    »Gut! Wie du willst.« Übel gelaunt goss ich Kaffee in Richards außergewöhnliche Tasse – einen Riesenpott mit dem Fassungsvermögen einer Pampers-Windel. Und absolut rücksichtslos, wie ich fand. Nicht umsonst nannte man diese Art Tassen Kameradenbetrüger. Richard hingegen mochte seinen Literpott. Für ihn war er die Berliner Antwort auf das bayrische Maß. Lieblos stellte ich den Kaffeepott ab. »Dieses Ding ist echt
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