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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Autoren: Christian Jacq
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Sanftmut weht und Vögel über die Weiher flattern.»
    Doch Ameni, der Oberste Schreiber des Königs, sein Gefährte seit jenen Tagen, da sie gemeinsam die Schule besucht hatten, und ein unermüdlicher Diener seines Herrn, vermochte diese Lebensfreude nicht zu teilen. Wie so viele andere Bewohner der Stadt hatte er das Gefühl, daß in ihr nicht mehr die vertraute Fröhlichkeit herrschte, weil Ramses ihr fern war.
    Fern und in Gefahr.
    Keiner Mahnung zur Vorsicht Gehör schenkend, keinen Aufschub duldend, war er gen Norden aufgebrochen, um Kanaan und Syrien zurückzuerobern, und hatte seine Truppen in ein Abenteuer von Ungewissem Ausgang geführt.

    Wiewohl Ameni auch das Amt des «Sandalenträgers des Pharaos» innehatte, war er ein Mann von kleinem Wuchs, schmächtig und beinahe kahlköpfig, mit zartem Knochenbau, bleicher Gesichtsfarbe und langen, schmalen Händen, die schöne Hieroglyphen zeichnen konnten. Zwischen diesem Sohn eines Gipsbrenners und Ramses bestanden unsichtbare Bande. Ganz im Sinne der seit den Anfängen des Pharaonenreichs überlieferten Redensart war er «Auge und Ohr des Königs». Er hielt sich selbst stets im Hintergrund, führte aber die Aufsicht über etwa zwanzig ergebene und äußerst sachkundige Schreiber. Als unermüdlicher Arbeiter schlief er nur wenig, aß hingegen viel, ohne dabei jemals dicker zu werden. Nur selten verließ er seine Amtsstube, in der ein Binsenhalter aus vergoldetem Holz prangte, ein Geschenk des Pharaos. Sobald Ameni diesen wie eine Säule geformten, von einer Lilie gekrönten Gegenstand berührte, erwachte seine Tatkraft zu neuem Leben und er nahm den nächsten Berg von Schriftstücken in Angriff, der jedweden anderen Schreiber entmutigt hätte. In seiner Amtsstube, die er mit eigener Hand sauberhielt, waren die sorgsam geordneten Papyrusrollen in hölzernen Truhen und Tonkrügen verwahrt oder lagen, in Leder gehüllt, auf Wandbrettern.
    «Soeben ist ein Bote der Armee eingetroffen», meldete ihm einer seiner Gehilfen.
    «Führe ihn herein.»
    Der mit Staub bedeckte Soldat schien am Ende seiner Kräfte zu sein.
    «Ich überbringe eine Nachricht des Pharaos.»
    «Zeige sie mir!»
    Ameni stellte fest, daß sie tatsächlich Ramses’ Siegel trug, und obwohl er dabei außer Atem geriet, brachte er sie im Laufschritt in den Palast.

    Königin Nefertari hatte an diesem Tag bereits den Wesir empfangen, dann den Obersten Verwalter des Palastes, den Schreiber des Rechnungswesens, den Aufseher über die königliche Tafel, den Vorsteher der Ritualpriester, den Obersten Bewahrer der Geheimnisse, den Ersten Priester aus dem Haus des Lebens, den Oberkämmerer, den Vorsteher des Schatzhauses, den der Speicher sowie zahlreiche andere hohe Beamte, die alle genaue Anweisungen erhalten wollten, um nur ja nichts ohne die Zustimmung der Großen königlichen Gemahlin zu unternehmen, der es während der Abwesenheit des Pharaos oblag, das Land zu regieren. Zum Glück stand ihr Ameni unermüdlich zur Seite, und Tuja, die Mutter des Königs, leistete ihr mit wertvollen Ratschlägen Beistand.
    Die Schönste der Schönen, wie Nefertari wegen ihres schwarzen, glänzenden Haars, der blaugrünen Augen und des gleich einer Göttin strahlenden Antlitzes auch genannt wurde, stellte sich tapfer der Prüfung, die ihr Macht und Einsamkeit auferlegten. Von den Schriften der Weisen überaus angetan, hatte sich die ehemals dem Tempel geweihte Musikantin ein zurückgezogenes Leben voll stiller Andacht erhofft, doch durch Ramses’ Liebe war aus dem scheuen jungen Mädchen die Königin Ägyptens geworden, die nun entschlossen und ohne jedwede Anzeichen von Schwäche ihre Aufgaben zu erfüllen suchte.
    Allein die Verwaltung des Hofstaats der Königin stellte eine schwere Bürde dar. Seit mehr als tausend Jahren gehörte ihm eine Lehranstalt an, in der sowohl Ägypterinnen als auch fremdländische Mädchen ausgebildet wurden, darüber hinaus eine Schule der Weberei und Werkstätten, die Schmuck, Spiegel, Vasen, Fächer, Sandalen und Gegenstände für den Vollzug der religiösen Riten verfertigten. Nefertari herrschte über eine vielköpfige Schar von Priesterinnen, Schreibern, Verwaltern ihrer Liegenschaften, über Handwerker und Bauern, und ihr lag daran, die für jeden Bereich Verantwortlichen persönlich zu kennen. Sie war geradezu davon besessen, Ungerechtigkeiten und Fehler zu vermeiden.
    Doch in diesen von Angst erfüllten Tagen, in denen Ramses sein Leben wagte, um Ägypten vor einem Überfall der
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