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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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rennen. Sie lief ebenfalls hin. In dem Boot, das soeben landete, stand ein junger Mann, und einen Augenblick lang, als sie ihn gegen den hellen Himmel gewahrte, setzte ihr Herz aus. Es ist Khay, dachte sie. Khay ist aus der Unterwelt zurückgekehrt.
    Doch dann erkannte sie, dass ihre Einbildungskraft ihr einen Streich gespielt hatte. Dieser Mann war jünger als Khay, hatte leichte, anmutige Bewegungen und ein fröhliches Antlitz. Er komme von Imhoteps Besitz im Norden, erklärte er. Er sei Schreiber und heiße Kameni.
    Ein Sklave wurde fortgeschickt, Imhotep zu holen, und Kameni wurde ins Haus geführt, wo man ihm Speise und Trank vorsetzte. Kurz darauf traf Imhotep ein, und es gab eine lange Unterredung zwischen den Männern.
    Wie stets kamen die Neuigkeiten durch Henet ins Frauenquartier. Renisenb wunderte sich oft, wie Henet es fertig brachte, immer alles zu wissen.
    Kameni war, wie sich herausstellte, ein junger Schreiber in Imhoteps Diensten, der Sohn eines seiner Vettern. Kameni hatte gewisse Betrügereien aufgedeckt, gefälschte Abrechnungen, wie es schien, und da die Angelegenheit sich beträchtlich verzweigte und einige Verwalter des Besitztums darin verstrickt waren, hatte er es für das beste gehalten, nach dem Süden zu reisen und persönlich Bericht zu erstatten.
    Die Folge war, dass Imhotep eilige Reisevorbereitungen traf. Eigentlich hatte er noch zwei Monate bleiben wollen, aber je früher er an Ort und Stelle eintraf, umso besser.
    Der ganze Haushalt wurde zusammengerufen, und unzählige Anweisungen wurden erteilt. Yahmose sollte dies und das tun. Sobek sollte über irgendetwas strengstes Stillschweigen bewahren. Renisenb kam diese ganze Betriebsamkeit sehr vertraut vor. Yahmose lauschte aufmerksam, Sobek finster. Hori zeigte sich wie gewöhnlich ruhig und tüchtig. Ipys Forderungen wurden mit mehr Schärfe als sonst zurückgewiesen.
    »Du bist zu jung, um besondere Freiheiten zu haben. Gehorche Yahmose. Er kennt meine Wünsche und Befehle.« Imhotep legte seinem ältesten Sohn die Hand auf die Schulter. »Ich verlasse mich auf dich, Yahmose. Wenn ich zurückkehre, werden wir wieder über deine Teilhaberschaft sprechen.«
    Yahmose errötete vor Freude.
    Imhotep fuhr fort: »Sieh zu, dass während meiner Abwesenheit alles gut geht. Ich vertraue dir mein Weib an; es soll ihr alle gebührende Achtung entgegengebracht werden. An dir ist es, über die Frauen zu herrschen. Auch wünsche ich, dass Henet freundlich behandelt wird. Sie hat mir stets treu gedient, vergiss das nicht.«
    »Alles soll geschehen, wie du es wünschst«, antwortete Yahmose. »Aber Henet richtet mit ihrer Zunge manchmal Unheil an.«
    »Unsinn! Das tun alle Weiber, Henet nicht mehr als andere. Was Kameni betrifft, so wird er hier bleiben. Wir können noch einen Schreiber brauchen; er soll Hori helfen. Und was das Land betrifft, das wir dieser Yaii verpachtet haben…«
    Imhotep erging sich in Einzelheiten.
    Als schließlich alle Vorbereitungen getroffen waren, wurde Imhotep von plötzlichen Zweifeln ergriffen. Er zog Nofret beiseite und fragte besorgt: »Nofret, bist du’s zufrieden hier zu bleiben? Wäre es nicht doch besser, du kämst mit mir?«
    Nofret schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Du wirst nicht lange fort sein.«
    »Drei Monate, vielleicht vier.«
    »Siehst du, das ist nicht lang. Ich bin gern hier.«
    »Ich werde meine Söhne zur Verantwortung ziehen, wenn du die geringste. Klage vorzubringen hast!«
    »Wem könnte ich wirklich Vertrauen schenken?« fragte Nofret langsam. »Es müsste jemand sein, der nicht zur Familie gehört.«
    »Hori, der gute Hori ist in allem meine rechte Hand, und er hat Verstand.«
    »Er und Yahmose sind wie Brüder«, entgegnete Nofret.
    »Dann Kameni. Er ist ebenfalls Schreiber. Ich werde ihm sagen, dass er sich dir zur Verfügung stellen soll. Wenn du dich über irgendetwas zu beklagen hast, wird er deine Worte niederschreiben und mir deine Beschwerde zustellen.«
    Nofret nickte anerkennend.
    »Das ist ein guter Gedanke. Kameni stammt aus dem Norden. Er kennt meinen Vater. Er wird sich nicht durch Familienrücksichten beeinflussen lassen.«
    »Da ist auch noch Henet.«
    »Ja, da ist Henet«, wiederholte Nofret nachdenklich. »Wie wäre es, wenn du in meiner Gegenwart jetzt mit ihr sprechen würdest?«
    Es wurde nach Henet geschickt, die mit ihrem üblichen Eifer herbeieilte. Sie klagte laut über Imhoteps Abreise.
    Imhotep fiel ihr schroff ins Wort: »Ja, ja, meine gute Henet, aber es muss sein.
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