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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat
Autoren: Frank Goosen
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einer Richterin verhandelt wurde. Und Frauen haben für vieles Verständnis, so lange es aus Liebe geschieht.
    Drei Jahre nach der diamantenen Hochzeit starb Tante Henni. Onkel Josef folgte ihr nur sechs Monate später.
     

Saubere Unterwäsche
    Und dann war da noch Tante Martha, von allen nur Tante Matta genannt, weil der Ruhrgebietsmensch das r mitten im Wort nicht gerne spricht. Tante Matta hat sich immer Sorgen gemacht und damit dummerweise nicht hinterm Berg gehalten.
    »Ich mach mir so Sorgen um den Onkel Josef«, sagte sie mal zu mir. »Findest du nicht, dass er ein bisschen zu viel trinkt?«
    Vom Alter her war ich nicht mal zweistellig, von daher konnte ich nicht beurteilen, wie viel zu viel war. Heute würde ich die Frage eindeutig bejahen, schließlich habe ich ihn auf Geburtstagen manchmal schon mittags Korn kippen sehen.
    »Ich mach mir so Sorgen um den Rüdiger«, sagte sie ein anderes Mal, »dass der auf die schiefe Bahn gerät!«
    Rüdiger war ein entfernter Cousin, der immer günstig Autoradios, Stereoanlagen und Fernseher auf Lager hatte. Sehr günstig. Originalverpackt. Die Bahn, auf der Rüdiger unterwegs war, schief zu nennen, war eine spektakuläre Untertreibung.
    Am meisten machte sich Tante Matta aber Sorgen, man könne keine saubere Unterwäsche anhaben. Saubere Unterwäsche war für sie ein riesiges Thema. »Stell dir mal vor«, sagte Tante Matta gern, »du musst plötzlich zum Arzt!«
    Klar, man kennt das ja: Man geht gut gelaunt die Fußgängerzone hinunter, schlägt sich unvermittelt mit der flachen Hand vor die Stirn und ruft aus: »Mensch, ich muss plötzlich zum Arzt!« Und der behandelt einen dann nicht, weil man keine saubere Unterhose anhat.
    Oder: Man hat einen Autounfall, liegt blutüberströmt im Straßengraben, kann aber ganz locker bleiben, weil man kurz vor Fahrtantritt noch schnell die frische Unterwäsche angezogen hat. Und der Sanitäter ruft: »Lass den da hinten abnippein! Der hier hat ganz tolle, saubere Unterwäsche an!« Da wird man Tante Matta dann dankbar sein.
    Noch als ich erwachsen war, eine eigene Wohnung bewohnte und für meine Kleiderordnung und Körperhygiene selbst zuständig war, rief Tante Matta manchmal an, sagte nicht »Guten Tag, wie geht's dir, mein Junge?«, sondern als Erstes: »Hast du sauberes Unterzeug an?«
    Unterzeug! Das Wort kam aus der Mode, als Stresemann Reichskanzler war! Und was glaubte sie denn? Dass ich gebrauchte Damenschlüpfer trug?
    Bei Frauen reichte Tante Matta die Unterwäsche nicht. Frauen mussten sich, im Gegensatz zu Männern, auch regelmäßig waschen.
    »Weißt du, ein herber Geruch hat noch keinem Mann geschadet. Aber bei einer Frau ist so etwas doch sehr unangenehm.« Ich vermute noch heute, dass Tante Matta die einzige Frau in unserer Familie war, die sich die Achselhöhlen rasiert hat. Heimlich.
    Eine Frau hatte für Tante Matta nicht nur sauber zu sein, sondern »reinlich«. Einmal verwickelte sie mich in ein Gespräch über meine damalige Freundin.
    »Und?«, wollte Tante Matta wissen. »Ist sie reinlich? Riecht sie gut?«
    »Sie riecht toll, Tante Matta. Und du solltest ihre Unterwäsche sehen!«
    »Und was ist mit ihrem Klo?«
    Tante Matta war glühende Verfechterin der These, wer ein schmutziges Klo habe, der habe auch einen verdorbenen Charakter. Das ist bei mir haften geblieben. Noch heute suche ich bei fremden Leuten zuerst das Bad auf und untersuche die Kloschüssel. Ich sehe mir besonders die Schrauben an, mit denen die Schüssel im Boden verankert ist, denn dort sitzt der Staub, das ist ein Paradies für Staub! Und man kriegt ihn nur weg, wenn man das Klo wirklich gewissenhaft putzt. Ich gehe auf die Knie, untersuche die Schrauben und entscheide erst dann, ob ich diesen Leuten das Du anbiete.
    So habe ich von Tante Matta doch noch was Praktisches fürs Leben gelernt. Und wenn ich auf Reisen bin, habe ich immer eine Unterhose mehr dabei als nötig.
     

Der Currywurst-Vorfall
    Beinahe hätte es mich nie gegeben. Und schuld daran war eine Currywurst.
    In Bochum gibt es das traditionsreiche Lichtspielhaus »Uniontheater«. Irgendwann in den Siebzigern wurde das in mehrere, zum Teil nur schuhkartongroße Mini-Kinos aufgeteilt und eigentlich müsste man die Geschichte erzählen, wie ich in einem davon Geschlechtsverkehr hatte - dummerweise ist das nie passiert. Dass ich hier betrunken den vierten Film der Star-Trek-Reihe gesehen und viel zu laut gelacht habe, sodass mich andere Zuschauer rausschmeißen wollten - das
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