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Radikal

Radikal

Titel: Radikal
Autoren: Yassin Musharbash
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befasst hatte. Der Nahe Osten, aha . Es dauerte noch ein paar Minuten, bis Sumaya wieder völlig unbefangen mit dem Abgeordneten reden konnte, aber danach machte ihr das Gespräch wieder genauso viel Spaß wie vor dem Zwischenfall.
    Schließlich hatte Lutfi Latif anscheinend genug in Erfahrung gebracht und ließ sein Lächeln noch einmal voll aufblitzen: »Frau al-Shami, ich nehme an, dass Sie, weil Sie noch studieren, keine volle Stelle möchten, sondern eine Teilzeitposition bevorzugen würden?«
    Sumaya nickte und fühlte gleichzeitig einen kleinen Rausch in ihrem Kopf. »Zwanzig Stunden pro Woche, das wäre perfekt«, sagte sie.
    »So machen wir es«, antwortete der Abgeordnete.
    Beide lächelten. Auch über die Bezahlung wurden sie sich rasch einig. Schon am kommenden Montag sollte es losgehen. Bis dahin würde ihm die Bundestagsverwaltung auch ein Büro in einem der Parlamentsgebäude rund um den Reichstag zugeteilt haben, wahrscheinlich, wie Lutfi Latif sagte, im Paul-Löbe-Haus.
    Der Abgeordnete erhob sich. »Frau al-Shami, ich freue mich wirklich sehr«, sagte er und hielt ihr die Hand hin.
    »Danke, ich mich auch«, versicherte Sumaya ihrerseits.
    Sie nahm ihre Tasche und wollte gerade noch eine abschließende Bemerkung machen, als sich erneut die Tür neben der Weltkarte öffnete. Ein schlanker, junger Mann mit aschblonden Haaren in einemgrauen Businessanzug, höchstens ein paar Jahre älter als Sumaya, betrat den Raum. In der linken Hand hielt er ein Handy, dessen Mikrofon er mit der rechten Hand sorgsam abdeckte. »Herr Latif«, hob er an. »Es ist …«
    »Ah, Herr Munkelmann! Das ist Sumaya al-Shami, Ihre zukünftige Kollegin«, unterbrach ihn der Abgeordnete. An Sumaya gerichtet ergänzte er: »Herr Munkelmann ist mein zweiter Mitarbeiter, er ist vor allem für das Büro zuständig.«
    Sumaya streckte ihre Hand aus und wollte schon einen Schritt auf Munkelmann zu machen, doch der nickte nur kurz und blickte gleich wieder den Abgeordneten an. Es war ihm anzusehen, dass es dringend war. Als Munkelmann sicher war, dass Lutfi Latif ihn nun beachtete, formte er mit seinen Lippen ein paar Worte, die Sumaya offensichtlich nicht mitbekommen sollte, woraufhin der Abgeordnete sie entschuldigend ansah. Sumaya hob still die Hand zum Abschied und ging zum Ausgang.
    Sie hatte Munkelmanns unausgesprochene Worte allerdings durchaus verstanden. »Wieder der Mann vom BKA «, hatte er gesagt. Als sie sich noch ein letztes Mal nach Lutfi Latif umsah, meinte sie, den Anflug eines Schattens auf seinem Gesicht wahrzunehmen. Draußen auf der Straße stellte Sumaya fest, dass es kühler geworden war.

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III
    Berlin war nur selten sanft, und meist war das auch nicht, was Samson sich von dieser Stadt erwartete oder erhoffte. Wenn es aber einmal so war, wenn zum Beispiel ein Frühsommermorgen die Frankfurter Allee in ein schüchternes orangefarbenes Licht tauchte und die runde Kugel des Fernsehturms noch nicht blitzte oder funkelte, wie sie es später am Tag tun würde, sondern nur ein bisschen vor sich hin leuchtete, dann freute sich Samson. Selbst Berlin konnte dann frisch duften. Und selbst Samson, der von Natur aus eher zum Grübeln als zum Jubeln neigte, konnte dann so etwas wie Lust daran empfinden, sich einen perfekten Tag auszumalen.
    Genauso ein Morgen war dieser, mit dem Schönheitsfehler allerdings, dass der Tag schon verplant war. Samson würde also nicht nach Rerik fahren, um zu tauchen. Tauchanzug, Luftflaschen, Tarierjacket, Flossen und Maske würden unangerührt auf dem Dachboden des Altbaus, in dem er wohnte, liegen bleiben, das Wrack des am Kriegsende gesunkenen U-Bootes in vierzehn Meter Tiefe im grünen Wasser der Ostsee würden heute andere Taucher weiter erkunden. Nicht dass die Ostsee Samsons liebstes Tauchrevier war. Es war nur das einzige größere Gewässer, das er mit vertretbarem Aufwand erreichen konnte.
    Theoretisch. Und vielleicht ja wieder am kommenden Wochenende, versuchte Samson sich die diffuse Vorfreude zu bewahren, während er in einem kleinen portugiesischen Café einen ersten Kaffee trank, die Notizen für seinen Vortrag vor sich auf dem kleinen Tisch ausgebreitet.
    »Dschihad Online – Wie islamistische Terroristen das Internet für ihre Zwecke nutzen«: Bei Volkshochschulen brachte das200 Euro, bei Vereinen oder Gewerkschaften auch mal 300, bei politischen Stiftungen immerhin zwischen 400 und 500, je nachdem. Bei staatlichen Stellen hätte er ohne weiteres 700 Euro und mehr
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