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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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erreicht wird. Dennoch: Immaterielle Werte sind in ihrem Rang nachgeordnet. Das zu ummänteln wäre töricht. Entscheidend ist, wie man so sagt, »was hinten rauskommt.« Erfolg ist die Gegenleistung für das Geld, das wir verdienen.
    Manch einer wird mich schnurstracks über die »Eisberg-Theorie« aufklären wollen, nach der es zu kurz greife, nur auf die Spitze des Eisberges zu schauen. Neun Zehntel des Eisberges – die ergebnistragenden Prozesse – lägen unter der Wasseroberfläche verborgen; sie zu ignorieren hätte nicht nur der Titanic den Todesstoß versetzt. Es sei daher kurzsichtig, sich dem Ergebnis ausschließlich deshalb zuzuwenden, weil es messbar ist, und das Nichtmessbare zu ignorieren, wenn es doch wichtig ist. Wer wollte widersprechen? Vielleicht verweist er auf das berühmt-berüchtigte Beurteilungssystem »Neun-Box-Matrix« von Sergio Marchionne, dem Lenker von Fiat und Chrysler. Dieses trägt auf der einen Achse das »Potenzial« des Mitarbeiters ab, auf der anderen dessen »Performance«. Damit relativiert es den Erfolg; denn es spielt die Erwartung guter Leistung gegen den aktuellen Erfolg aus. Doch lassen wir es nicht an Klarheit fehlen: Wer über einen längeren Zeitraum so unterscheidet, verbrennt Geld, das ihm nicht gehört.
    Um nicht missverstanden zu werden: Zweifellos ist es hilfreich, ein hohes Maß an Potenzial und Führungskompetenz im Unternehmen zu haben. Aber das ist kein Selbstzweck. Und es hilft nichts, Trost spendende Relativierungen sind vergeblich: Letztlich und langfristig verkaufen wir Erfolg. Und nicht Voraussetzungen dafür. Das ist bisweilen ungerecht, ja, bedauerlich, meinetwegen, auch unterkomplex, wie die Soziologen sagen würden. Aber wer das beklagt, sollte überlegen, wie viele erfolglose Manager über Jahre ihr Unwesen treiben durften, weil Seilschaften sie im Sattel hielten.
Gibt es »gute« Führung?
    Führung wird also für Erfolg bezahlt. Und wir haben festgestellt, dass wir uns darüber verständigen müssen, was wir unter »Erfolg« verstehen. Diese Verständigung mag den meisten von Ihnen gelingen. Richtig kompliziert wird es, wenn nicht nur der Erfolg (das Ziel oder Ergebnis) gemessen und bewertet wird, sondern auch der Weg dahin ganz bestimmten Kriterien genügen soll. Dann geht es nicht mehr darum, ob eine Führungskraft einen Beitrag zum Überleben der Organisation leistet, sondern auch wie sie das macht. Umgangssprachlich nennt man das »gute Führung«.
Unternehmen oder Kirchen?
    Hinter dem Konzept der »guten« Führung steckt ein Verlust von Unterscheidungen, der im Management zu beobachten ist. In einer Gesellschaft, in der das schlechte Gewissen zum Normalzustand wurde, moralisiert sich auch das Management, gerade nach den Ereignissen der Wirtschaftskrise. Betrieben sowohl von der Politik, den Medien, aber auch den Konsumenten müssen Unternehmen nicht etwa wirtschaften, nein, »verantwortungsvoll« sollen sie das tun. Nicht Qualität hat mehr ihren Preis, sondern der Grad moralischer Unbedenklichkeit. Und Führungskräfte sollen Modelle sein von Tugend, Moral und Werten, authentisch, »Vorbilder« möglichst, menschlich und fachlich gleichermaßen. Gefragt wird: Führt die Führungskraft »kooperativ«? Mit »langfristiger« Perspektive? »Ethisch einwandfrei«? »Nachhaltig« ist dabei das neue Vaterunser. Überall bemühen sich Unternehmen, durch Leitlinien, Führungsgrundsätze und andere säkularisierte Bibeln das Verhalten der Führungskräfte zu prägen. Die Melodie dazu: »Wir sind alle kleine Sünderlein«, Willy Millowitschs Karnevalsschlager aus den 60er Jahren. Gemessen werden Manager dann kaum mehr an ihren Erfolgen, sondern daran, ob sie auch bescheiden genug auftreten. Nicht wenige von ihnen erliegen der Verführung dieser Moral-Blähung. Sie reden mitunter, als hätten sie sich auf einen Kirchentag verirrt. Und machen weiter wie bisher – nur jetzt mit schlechtem Gewissen.
    Lassen Sie uns nüchtern die Dinge klären. Erstens: Meinen zwei Menschen dasselbe, wenn sie von »guter Führung« sprechen? Zweitens: Ist es nachweisbar, dass »gute Führung« wirklich ursächlich für Erfolg ist? Drittens: Sind Unternehmen als Gesinnungsgemeinschaften zu verstehen (etwa wie politische Parteien)?
    Die Fragen stellen heißt, sie beantworten: »Nein«, lautet die Antwort in jedem der Fälle.
    Zu eins: Seit Jahrzehnten sind Untersuchungen verfügbar, die Selbstbild von Fremdbild unterscheiden. Die meisten Führungskräfte halten sich zum
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