Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rachsucht

Titel: Rachsucht
Autoren: M Gardiner
Vom Netzwerk:
bewegten sich im Wind.
    »Hast du dir die Waffe besorgt?«, fragte ich.
    Stille. »Nein.«
    »Mist.«
    Das Licht war zu einem blauen Schimmer im Westen erloschen. Ich lauschte. Irgendwo trappelten kleine Pfoten, und im Bach plätscherte das Wasser. Von Rudenski war noch nichts zu hören. Da er mich überholt hatte, konnte ich dem Bachbett jedoch nicht weiter folgen.
    »Bist du noch da?«, fragte Jesse. »Lauf der Polizei entgegen.«
    Ich horchte erneut. Der Wind trug Stimmen von der
Straße herüber. Oder war das nur Einbildung? Meine Nerven spielten verrückt. In der Deckung der Bäume arbeitete ich mich flussaufwärts.
    »Brand ist tot«, sagte ich. »Rudenski hat ihn ermordet.«
    Statisches Knistern, keine Antwort.
    »Ich hab die Leiche gesehen.« Jetzt rannte ich wieder. »Brand hat euch gar nicht über den Haufen gefahren. Das war Kenny Rudenski.«
    Mein eigenes Keuchen und das Rascheln der Oleanderblätter, durch die ich mich drängte. Sonst hörte ich nichts. Jesse hatte es die Sprache verschlagen.
    »Wie …«, stammelte er schließlich.
    »Er hat Trophäen vom Tatort mitgenommen. Unter anderem Isaacs Kruzifix.«
    »Das kann doch nicht wahr sein!«
    Hinter mir knackte ein Ast. Ich fuhr herum. Rudenski tauchte flussabwärts aus den Schatten auf. Er hatte mich aufgespürt.
    »Verdammt noch mal.« Ich beschleunigte mein Tempo. »Er kommt.«
    »Leg nicht auf.«
    Nein, ich legte nicht auf, aber ich nahm das Handy vom Ohr, um beide Arme frei zu haben, während ich bergauf zu Rudenskis Haus zurückhetzte. Ich rannte, so schnell ich konnte. Da er zu Fuß war, konnte ich die Straße benutzen. Die Polizei war unterwegs. Wenn er dabei ertappt wurde, wie er mich mit einem Hackbeil die Straße hinaufjagte, sollte mir das nur recht sein.
    Ich lief schräg den Hang hinauf, in Richtung Straße. Aus dem Telefon hörte ich Jesses Stimme, die immer wieder meinen Namen rief.

    Hinter mir kam ein Auto den Berg herauf.
    »Die Polizei!«, sagte ich zu Jesse, Rudenski, dem nächtlichen Himmel.
    Aber ich hatte noch nicht ausgesprochen, da wusste ich schon, dass ich mich getäuscht hatte. Keine Sirenen, keine Lichter, keine heulenden Motoren. Hinter einer Kurve tauchte ein Mercedes auf, der mit geöffneten Fenstern langsam über die Straße rollte. Der Fahrer leuchtete mit einer Taschenlampe den Hang ab.
    Als mich der Lichtkegel erfasste, bremste er und strahlte mich voll an. Mir wurde weich in den Knien.
    »Kenny, sie ist hier!«, rief eine Stimme.
    Rudenski hatte Unterstützung bekommen. Es war Harley.
     
    Ich musste weg. Zur Straße konnte ich nicht, und flussabwärts lauerte Rudenski. Ich stürmte durch das hohe Gras schnurstracks den Hang hinunter und zwischen den Sykomoren hindurch zum sandigen Ufer des Baches. Vor mir plätscherte das Wasser. Ich rutschte über die bemoosten Steine in das Bachbett. Kaltes Wasser durchnässte meine Schuhe und spritzte gegen meine Beine. Dann war ich auf der anderen Seite.
    »Delaney, sprich mit mir«, brüllte Jesse.
    Ich hob das Telefon. »Rudenski hat Unterstützung. Ich lauf um mein Leben.«
    »Mari Diamond?«
    »Nein, Harley.«
    Auch auf dieser Seite des Wasserlaufs gingen die Bäume in hohes Gras über. Vor mir lag die Avocadopflanzung, die sich bis über die Hügelkuppe erstreckte. Hinter mir bebten die Sykomoren im Wind. Rudenski platschte durch den Bach.

    Ich flüchtete in die Pflanzung. Sie bestand aus alten Bäumen mit tief herabhängenden Ästen. Ein Blick über die Schulter zeigte mir Rudenski, der mir mit dem Hackbeil in der Hand folgte. Er schritt gemächlich aus, wirkte ruhig und entschlossen.
    Im Laufen sprach ich ins Telefon. »Ich versuche, die nächste Schlucht hinter dem Hügel zu erreichen. Wenn es dort eine Straße gibt, halte ich auf die Stadt zu.«
    Hier in den Bergen waren Straßen Mangelware. Sie schlängelten sich durch die Canyons in Richtung Gipfel und endeten in Fußwegen oder Sackgassen. Oben angekommen, rannte ich durch die Pflanzung über die Bergkuppe, bis das Gelände wieder abfiel. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war.
    Vor mir schimmerte das Mondlicht durch die Bäume. Dahinter musste also offenes Gelände sein. Tatsächlich stieß ich auf eine Straße.
    »Ich habe eine Straße gefunden und laufe bergab Richtung Foothill Road«, sagte ich.
    Der Hang senkte sich zum Asphalt hin steil ab. Ich drehte mich seitwärts und wollte gerade die Böschung hinunterrutschen, als ich direkt vor mir Harleys Auto entdeckte, das mit laufendem Motor auf der Straße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher