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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron
Autoren: Anderrnorts
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Ha'aretz an. Ob er
denn Hebräisch könne?
    Er wollte die Frage nach
Herkunft und Identität nicht wieder erörtern, sich nicht noch einmal auf diesem
Flug für seinen Wohnort rechtfertigen müssen. Er könne kein Wort Hebräisch, sei
zum Urlaub in Israel gewesen. Tauchen in Eilat.
    Sie lebe in Wien, stamme aus
Jerusalem. Vorjahren war sie nach Österreich gezogen. Der Liebe wegen. Von dem
Mann sei sie längst getrennt. Sie arbeite als freie Grafikerin, übernehme Jobs
von unterschiedlichen Auftraggebern aus allen Kontinenten. Sie entwerfe
Schrifttypen und Logos, gestalte Zeitungen neu, entwickle auch Webauftritte,
derzeit aber präsentiere sie eigene Arbeiten in einet Kunstgalerie. Sie nannte
den Namen. Eine renommierte Adresse in der Wiener Innenstadt. Während sie
sprach, zeichnete sie mit ihren Händen Skizzen in die Luft. Sie heiße Noa, Noa Levy.
»Johann Rossauer«, sagte er.
    Je besser sie sich verstanden,
um so grundsätzlicher wurde das Mißverständnis, das er durch seine Lüge provoziert
hatte, und mit jedem weiteren Satz vergrößerte sich der Abstand zwischen dem,
der er war, und dem, der er zu sein vorgab. Als sie ihm erklärte, einer Familie
zu entstammen, die von jeher im Land und bis zum Pogrom im Jahre neunundzwanzig
in Hebron gelebt hatte, zeigte er sich verwundert, von Juden zu hören, die das
Land nie verlassen hatten. Er spielte überzeugend die Rolle des ahnungslosen
Österreichers, und so war es kein Flirt, wenn er mehr über sie und ihr
Herkommen wissen wollte, sondern eine Auseinandersetzung jenseits aller
Vorurteile. Jedes Schielen ins Dekolleté ein Dialog der Kulturen. Jeder Blick
in die Augen ein Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung.
    Ein stämmiger kleiner Mann,
krauses Brusthaar quoll aus seinem Hemdkragen, unterbrach ihr Gespräch. Dies
sei sein Platz. Ethan verabschiedete sich mit einem Nicken. Sie lächelte ihm
zu. Er wagte nicht, sie um ein Wiedersehen zu bitten.
    Um zu seinem Sitz zu gelangen,
mußte er die Dame im Damastkostüm wecken, er stupste sie an und bat sie, ihn
vorbeizulassen, aber sie, verschlafen und verwirrt, fuhr auf und sagte: »Das
geht nicht. Hier ist schon jemand.«
    »Aber erkennen Sie mich nicht?
Ich bin es doch. Das ist mein Sakko und das mein Laptop.«
    »Unsinn.« Sie wandte sich an
den glatzköpfigen Israeli. »Bitte, bestätigen Sie, daß hier bereits ein anderer
sitzt.«
    Der Mann zögerte, blickte Ethan
lange ins Gesicht, und in diesem Moment erinnerte er sich an sein Aussehen auf
der Toilette, an seine Blässe, sein bräunliches Haar, daran, daß er die Strähnen
nach hinten gekämmt, sich den Rollkragenpullover übergezogen hatte. Er war
jetzt wie maskiert, hatte die Kleidung gewechselt, eine neue Frisur gewählt.
    »Entschuldigung«, fuhr eine
Flugbegleiterin dazwischen: »Sind Sie Herr Rossauer?«
    Er wollte bereits verneinen,
da dachte er an Noa. »Ja.«
    »Sie haben Ihre Uhr
vergessen.« Er sah zum Heck, da meinte der israelische Glatzkopf: »Rossauer. Rossauer? You are right. That
is not our neighbour«, worauf die Frau sagte: »Nu,
sag ich doch.« Die Flugbegleiterin fragte nach Ethans Ticket, und als er sich
vorbeugte, um seine Papiere aus seiner Jacke zu fischen, rief seine Nachbarin:
»Das ist nicht Ihr Sakko. Es gehört Danni Löwenthal!«
    »Sie verwechseln mich. Von
Anfang an. Ich bin Ethan Rosen.«
    »Erzählen Sie keinen Blödsinn.
Ich weiß, wer neben mir saß. Danni Löwenthal. Ich kenne seine Eltern und ihn
seit seiner Kindheit. Danni Löwenthal.«
    Er hätte die Dame in ihrem
Damastkostüm gerne angeschrien, ob sie meschugge sei und daß sie lieber keine
Herzpillen, sondern Tabletten für den Kopf nehmen solle. Er wollte den Israeli
anbrüllen, aber nun schlug die Müdigkeit zu, schlug auf ihn ein, und ihm
schwindelte, er schloß die Augen, weil er fürchtete hinzufallen, und
gleichzeitig merkte er, daß sein Schweigen gegen ihn sprach, daß er nun etwas
von sich geben mußte, um nicht vollends verdächtig zu wirken.
    Heiser wisperte er: »Hören
Sie. Ich bin Ethan Rosen, und das ist mein Platz. Mag sein, daß ich diesem
Danni Löwenthal ähnlich bin, vielleicht, soll sein, daß ich mich Johann
Rossauer nennen ließ, aber mein Name ist und bleibt Ethan Rosen. Verstehen Sie?
Ich, Ethan Rosen, arbeite in Wien und war in Jerusalem, weil mein alter Freund
Dov Zedek dort begraben wurde. Er ist gestorben. Verstehen Sie? Er ist tot.«
Und als er diese letzten Worte sprach, merkte er, daß ihm, der während der
ganzen Beerdigung so
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