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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Titel: Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
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Erleichterung
hatten sie inzwischen ihre Zimmertür erreicht. Sie sehnte sich nach trockenen
Kleidern, einem Feuer, um sich aufzuwärmen, und einem Gläschen Sherry — wenn
auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Doch ihr Verlangen, einer
Strafpredigt zu entgehen, wie sie sie von den Nonnen in St. Apasia unzählige
Male hatte erdulden müssen, war sogar noch größer.
    So stützte sie nun die Hände in die
Hüften und erwiderte Phaedras verstörten Blick.
    »Es gibt noch andere Dinge im Leben,
als einen Mann zu finden und zu heiraten«, erklärte Annie, obwohl sie in diesem
Moment kein einziges dieser Dinge hätte nennen können. Denn was gab es schon
anderes zu tun, als zu heiraten, wenn man eine Frau war? Im übrigen dachte sie
an nichts anderes mehr, seit sie Rafael zum ersten Mal erblickt hatte. Er hatte
damals ihre Eltern an der französischen Riviera besucht, als Annie erst zwölf
gewesen war, und ihr ganzes Leben verändert.
    »So? Was denn zum Beispiel?« fragte
Phaedra herausfordernd. Sie und Annie waren eine knappe Woche zuvor nach Bavia
gekommen, nach ihrem Schulabschluß in der Schweiz, um Phaedras Trauung auszurichten.
Es sollte eine richtige Märchenhochzeit werden, wie sie einer Prinzessin auch
gebührte, und so war es nur natürlich, daß Phaedra, die mit ihren eigenen
Hochzeitsplänen beschäftigt war, eine Befürworterin ehelichen Glücks war.
    Annie nieste wieder, genau im
passenden Augenblick, um Phaedras Frage auszuweichen. »Mir ist kalt«, sagte
sie, floh in ihr Zimmer und schloß die Tür. Zum Glück brannte im Kamin noch ein
Feuer, so daß es angenehm warm im Raum war.
    Als sie sicher war, daß Phaedra ihr
nicht folgen würde, zog Annie ihre nassen Kleider und ihre Unterwäsche aus.
Ihre Arme und Beine waren zerkratzt und wund, aber als sie sich erinnerte, wie
Rafaels Hände geblutet hatten, verging ihr Anfall von Selbstmitleid sehr rasch.
    Zitternd vor Kälte nahm sie ein Handtuch,
rieb sich trocken und zog ein Nachthemd an. Sie war gerade damit fertig, als
ein leises Klopfen an der Tür ertönte.
    In Erwartung einer Magd mit Brandy,
der ihr jetzt sehr willkommen gewesen wäre, ganz im Gegensatz zu einer vorwurfsvollen
Phaedra, rief Annie: »Herein!«
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus,
als Rafael über die Schwelle trat. Seine Kleider — die gleichen, die er bei
ihrer Rettung getragen hatte, waren durchnäßt wie sein dunkles Haar, das
aussah, als ob er etliche Male mit den Fingern hindurchgefahren wäre, seit sie
sich auf dem Gang getrennt hatten. An den Handflächen klebte getrocknetes
Blut, seine Handrücken waren sichtbar angeschwollen.
    Das Feuer tauchte ihn in ein
unheimliches Flackern; er sah jetzt eher wie der Teufel persönlich aus als wie
der regierende Fürst eines kleinen, dem Untergang geweihten Landes.
    Sie spürte seinen Blick auf sich,
was eine seltsame, aber angenehme Wärme in ihr auslöste, und dabei kam ihr zu
Bewußtsein, daß der Feuerschein den dünnen Stoff ihres Nachthemds durchdrang
und die Umrisse ihres Körpers freigab. Rasch trat sie vom Kamin zurück und
suchte Zuflucht hinter einem hohen Stuhl.
    Das Schweigen dehnte sich aus.
    Schließlich ertrug Annie die
spannungsgeladene Stille nicht mehr. »Falls Ihr gekommen seid, um mich ins
Verlies zu bringen«, sagte sie mit zitternder Stimme, »dann seid gewarnt - ich
bin entschlossen, mich zu wehren.«
    Rafael St. James starrte sie zuerst
nur betroffen an, doch dann, ganz plötzlich, lachte er. Es war ein ungeheuer
männliches Lachen, tief, weich und berauschend, und erweckte Gefühle in Annie,
die köstlich und zur gleichen Zeit erschreckend waren.
    Sie schaute sich nach einem besseren
Zufluchtsort als dem hochlehnigen Stuhl um, fand jedoch keinen und hielt die
Stellung. »Ich finde, Ihr solltet gehen«, sagte sie mit höflichem Trotz.
    Rafaels Belustigung hatte sich von
lautem Lachen in ein dämonisches Lächeln verwandelt; mit hochgezogener Braue
musterte er Annie ausgiebig, bevor er antwortete: »Sie haben recht, ich sollte
gehen«, gab er zu. »Aber da ich Hausherr dieser Burg bin und Regent dieses
gottverlassenen Landes, kann ich gehen, wann ich will und wohin ich
will.«
    Annie schluckte, um sich die
Bemerkung zu verbeißen, daß er im Begriff war, abgesetzt zu werden. Es wäre
grausam und respektlos gewesen, und im übrigen schuldete sie Rafael St. James
einen gewissen Dank dafür, daß er sie gerettet hatte. Sie empfand brennende
Verzweiflung, so gut wie Angst, wenn sie ihn ansah, denn sie hatte ihn
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