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Pyramiden

Titel: Pyramiden
Autoren: Terry Pratchett
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gerade versuchte, sich Flügel wachsen zu lassen. Als Vogelliebhaber verstanden sich die beiden Männer prächtig.
    Teppic erinnerte sich an wilde Verfolgungsjagden, hörte noch einmal die zornigen Stimmen der Soldaten, die ihm und seinem unkonventionellen Lehrer dicht auf den Fersen waren. In Gedanken durchstreifte er die Nekropolis, nahm an herrlichen Raufereien teil. Und er lernte den Quetscher kennen, eine höchst interessante Erfindung. Wer den Apparat bediente, begab sich in nicht unerhebliche Gefahr, aber Mühe und Risiko lohnten:– Der Quetscher verwandelte ganze Schwärme nichtsahnender Wasservögel in sofort verwertbare Pastete.
    Darüber hinaus bekam Teppic Zugang zur Bibliothek und konnte sogar in den Büchern blättern, die in normalerweise abgesperrten Regalen standen – einige spezielle Fähigkeiten ermöglichten es dem Wilderer, auch bei schlechtem Wetter sein Einkommen zu sichern. Der Sohn des Pharao nutzte die gute Gelegenheit, um seine literarischen Kenntnisse zu erweitern. Als besonders informativ erwies sich In den Schlafzimmern des Palastes, von Einem Ehrenmann Aus Dem Khalianischen Übersetzt. Der Band gehörte zu einer Begrenzten Auflage Mit Anschaulichen Illustrationen Für Den Anspruchsvollen. Zunächst empfand Teppic die detaillierten Beschreibungen als sehr verwirrend, doch im Laufe der Zeit gelang es ihm, sie immer besser zu verstehen. Als ein junger, weltfremder und von Priestern beauftragter Lehrer begann, ihn mit bestimmten athletischen Techniken vertraut zu machen – angeblich waren sie von den klassischen Pseudopolitanern überliefert worden –, dachte Teppic eine Zeitlang nach, griff dann nach einem Hutständer und schickte seinen Unterweiser mit einem wohlgezielten Hieb zu Boden.
    Eigentlich brauchte Teppic gar keine Hilfe. Er eignete sich das Wissen selbst an. Die Bildung rieselte auf ihn herab, wie Schuppen aus einer oft benutzten Perücke.
    In der Welt außerhalb seines Kopfes begann es zu regnen. Eine weitere neue Erfahrung. Er hatte natürlich schon gehört, daß Wasser in Form kleiner Tropfen vom Himmel fallen konnte, aber nun erlebte er so etwas zum ersten Mal. In Djelibeby regnete es nie.
    Wie heruntergekommene Amseln wirkende Meister schritten zwischen den wartenden Jungen umher, aber Teppic schenkte ihnen kaum Beachtung. Seine Aufmerksamkeit galt einigen älteren Schülern, die an den Torsäulen standen. Sie trugen ebenfalls dunkle Umhänge, aber die Tönungen unterschieden sich vom Schwarz voll ausgebildeter Assassinen.
    Der Autor erlaubt es sich, an dieser Stelle die tertiären Farben zu erwähnen. Sie gehören zu dem Spektrum, das sich auf der anderen Seite des Schwarzen erstreckt. Derartige Farben bekommt man nur, wenn man die Schwärze in einem achtseitigen Prisma aufspaltet. Mit nichtmagischen Worten lassen sie sich kaum beschreiben, aber um Ihnen zumindest eine ungefähre Vorstellung zu vermitteln: Solche Farben sieht man, wenn man etwas Verbotenes raucht und dann die Unterseite eines Starenflügels betrachtet.
    Die größeren Jungen maßen ihre neuen Schulkameraden mit kritischen Blicken.
    Teppic beobachtete sie. Abgesehen von den Farben entsprach ihre Aufmachung der neuesten Mode, die derzeit zu weiten Hüten, gepolsterten Schultern, schmalen Taillen und spitzen Schuhen neigte. Wer diese Garderobe bevorzugte, mußte damit rechnen, wie ein schlecht gekleideter Nagel auszusehen.
    Ich werde so sein wie sie, dachte der Sohn des Pharao.
    Nur besser angezogen, fügte er in Gedanken hinzu.
    Er erinnerte sich an einen der kurzen, geheimnisvollen Besuche Vyrts. Sein Onkel hatte damals auf einer Stufe der Palasttreppe Platz genommen und folgende Worte gesprochen, während er über den breiten Djel blickte: »Satin und Leder taugen nichts. Und das gilt auch für Schmuck jeder Art. Man muß sich von allen Dingen trennen, die knirschen oder klimpern. Ich empfehle rauhe Seide oder Samt. Weißt du, es kommt nicht darauf an, wie viele Leute man inhumiert. Weitaus wichtiger ist, daß man nicht selbst inhumiert wird.«
     
    Wenn sich Hast mit Unvorsichtigkeit paarte, präsentierte ein spöttisch lächelndes Schicksal irgendwann die Rechnung. Teppic fiel einem bestimmt sehr harten Kopfsteinpflaster entgegen, drehte sich in leerer Luft, streckte verzweifelt die Arme aus, berührte einen kleinen Mauervorsprung und bekam dadurch ein neues Bewegungsmoment. Er stieß an verwittertes Gestein, und der Aufprall war heftig genug, um ihm den restlichen Atem aus den Lungen zu pressen.
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