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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume
Autoren: Marian Keyes
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unterbrach Fintan sie. »Wir wissen Bescheid. Seine Mutter hat ihn im Stich gelassen, als er sieben war, deshalb kann er nichts dafür, daß er ein alter Miesepeter ist. Aber er sollte dich besser behandeln. Du hast nur das Beste verdient.«
    »Aber ich bin glücklich, so, wie es ist«, verteidigte sich Tara. »Wirklich. Ihr seid viel zu … viel zu…« – Sie suchte nach dem richtigen Wort – »… ehrgeizig, was mich angeht. Ihr seid wie Eltern, die aus ihrem Kind einen Gehirnchirurgen machen wollen, obwohl es nur das Zeug zum Müllmann hat. Ich liebe Thomas.«
    Fintan verstummte frustriert. Die Liebe war blind, daran war nicht zu zweifeln. In Taras Fall war sie auch taub und stumm und Legasthenikerin, hatte ein schlimmes Hüftgelenk und beginnenden Alzheimer.
    »Und Thomas liebt mich«, sagte Tara fest. »Und bevor ihr anfangt, mir zu erzählen, daß ich einen besseren finden könnte, möchte ich euch daran erinnern, daß ich Torschlußpanik habe.
    Mit einunddreißig und jenseits von Gut und Böse habe ich sowieso keine Chance, einen anderen zu finden.«
    Liv überreichte ihre Karte und das Geschenk. Die Karte war mit handbemalter Seide bespannt, und das Geschenk war eine schmale, elegante kobaltblaue Vase aus Glas.
    »Phantastisch! Du hast soviel Gefühl für Stil, daß es einem weh tut«, rief Tara und versuchte, ihre Enttäuschung darüber, daß es nicht die Anti-ZellulitisCreme war, die sie sich so dringend gewünscht hatte, zu verbergen. »Danke!«
    »Möchten Sie bestellen?« Darius erschien an ihrem Tisch, den Stift in der Hand.
    »Ja, meinetwegen«, murmelte jeder. »Kann jemand anders anfangen?«
    »Also gut.« Tara sah lächelnd von der Speisekarte auf. »Ich nehme das Holzofen-Mars mit den Butterrosinen und den Petersilien wurzeln à la Cappuccino.«
    Darius sah sie ohne ein Lächeln an. Sie hatte das schon beim letzten Mal gemacht.
    »Entschuldigung.« Tara kicherte. »Ich finde es einfach lustig, diese verrückten Kombinationen.«
    Darius starrte sie weiterhin unbewegt an.
    »Bitte«, murmelte Katherine, »bestell einfach normal.«
    »Entschuldigung.« Tara räusperte sich. »Gut, ich nehme das Boeuf brulé mit Koriander-Pesto und geschredderten Rote Bete in Currysauce, und dazu eine Portion Schokoladenpüree.«
    »Tara!« Katherine explodierte.
    »Ist schon gut«, beruhigte Fintan sie eilig. »Das steht wirklich auf der Karte.«
    Katherine sah auf die Speisekarte: »Ach so, stimmt. Dann nehme ich das auch.«
    Nachdem das Essen auf dem Tisch stand – ein Teller kunstvoller dekoriert als der nächste –, kamen sie auf das Altern zu sprechen. Schließlich hatte ja jemand Geburtstag.
    »Im Gegensatz zu dem, was alle immer sagen«, fing Katherine an, »sind es nicht die Falten, die mich deprimieren. Sondern die Tatsache, daß mein Gesicht in den letzten zehn Jahren –«
    »Abgesackt ist«, sagten Tara und Liv im Chor. Sie hatten dieses Spiel schon viele Male gespielt.
    »Ich weiß genau, was du meinst.« Mit der Wendigkeit einer Staffelläuferin griff Tara das Thema auf. »Wenn man sich das Photo in meinem Paß ansieht, das vor neun Jahren gemacht worden ist, da war mein Mund knapp unter der Stirn, aber jetzt sind meine Augen fast am Kinn
    – welches Kinn? höre ich euch fragen –, und meine Schläfen sind schon nah an der Taille.«
    »Was für ein Glück, daß es die Schönheitschirurgie gibt«, sagte Liv mit Inbrunst.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Fintan nachdenklich. »Ich finde es schön, mit Gelassenheit alt zu werden und der Natur ihren Lauf zu lassen. Ein gealtertes Gesicht ist doch sehr ausdrucksstark.«
    Die drei Frauen sahen ihn mißmutig an. Offensichtlich konnte er sich nicht vorstellen, wie es sein würde, wenn sich die Erdanziehungskraft auch in seinem Gesicht bemerkbar machen würde. Aber was konnten sie schon erwarten? Er war zwar schwul, aber er war trotzdem ein Mann. Und weil er mit hohen Collagen-Mengen gesegnet war, dachte er, er wäre Dorian Gray. Sollte er mal zehn Jahre warten, dann würde sich dieser Unsinn vom Altern in Gelassenheit ganz anders anhören. Spätestens dann würde er darum betteln, sich in die Hände eines Schönheitschirurgen begeben zu können.
    »›Ein gealtertes Gesicht ist so ausdrucksstark‹«, wiederholte Tara. »Das klingt gut, von einem, der praktisch in eine größere Wohnung ziehen mußte, um seine Clinique-Sammlung unterzubringen. Dein Badezimmer braucht doch einen Kurator. Du könntest ein Museum daraus machen.«
    »Gute Idee!« Fintan
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