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Projekt Wintermond

Projekt Wintermond

Titel: Projekt Wintermond
Autoren: Glenn Meade
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Eltern sehnsüchtig zurück. Sie hatten ihr alles bedeutet. Ihr Vater war ein großzügiger, freundlicher Mann gewesen, ihre Mutter eine hübsche, intelligente und liebevolle Frau. Sie hätte sich keine bessere Mutter wünschen können.
    Das Grab war gepflegt. Mindestens einmal die Woche brachte Jennifer frische Blumen. Nun stand sie in der Frühlingssonne am Grab und schaute auf den Marmorstein. Die spärlichen Worte sagten im Grunde nichts aus, denn über die Vergangenheit ihrer Eltern gab es sehr viel mehr zu sagen, als alle Grabsteine oder Inschriften der Welt hätten ausdrücken können.
    Jennifer legte die Rosen aufs Grab, stand auf und ließ die Gedanken in die Vergangenheit schweifen…
    4
    In den ersten fünf Lebensjahren bekam Jennifer ihren Vater kaum zu Gesicht. Ständig war er geschäftlich unterwegs: in Paris, London, Zürich, Rom, in exotischen Städten und fremden Ländern, von denen die kleine Jennifer nie zuvor gehört hatte. Sie vermisste ihren Vater sehr.
    Paul March war als Investmentbanker tätig. Jennifer war überglücklich, wenn der große, schlanke, gut aussehende Mann mit den dunklen, freundlichen Augen sie mit seinen starken Armen durch die Luft wirbelte. Sie liebte das Gefühl von Sicherheit, das sie spürte, wenn er ihre Hand hielt oder sie anlächelte. Sie liebte seinen Geruch – eine Mischung von frischem Aftershave, blumiger Seife und männlichem Duft.
    Als Jennifer zwölf war, stieg ihr Vater bei einer kleinen Investmentbank in New York ein, der Prime International. Er war sehr ehrgeizig – ein Mann, der Karriere machen wollte. Da er häufig Überstunden einlegte und lange Geschäftsreisen unternahm, schrieb er seiner einzigen Tochter aus all den fremden, wundervollen Orten, die er besuchte, Ansichtskarten.
    Das ist Paris, Jennifer. Eine traumhafte Stadt…
    Gestern Abend habe ich in einem Restaurant in der Nähe vom Trevi-Brunnen gegessen. Rom ist wundervoll…
    Ich habe dir in London ein Geschenk gekauft. Es wird dir gefallen, mein Liebling…
    Sobald ihre Mutter die Ansichtskarten gelesen hatte, verstaute Jennifer sie in einem alten Schuhkarton und hütete sie wie einen Schatz. Obwohl die Ansichtskarten sie nicht für die Tage und Wochen entschädigen konnten, die ihr Dad nicht zu Hause war, machte die Gewissheit, dass er an sie dachte, seine Abwesenheit ein wenig erträglicher.
    Manchmal schlich die kleine Jennifer sich in sein Arbeitszimmer und kletterte auf seinen Stuhl, nur um ihm nahe zu sein. Sie nahm einen Pullover, ein Hemd oder einen Hausschuh von ihm und blieb stundenlang dort sitzen. Während sie die bunten Ansichtskarten betrachtete, wartete sie sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Vaters. Endlich sah sie ihn eines Tages über den schmalen Weg zum Haus kommen, und mit einem Freudenschrei stürmte Jenny ins Freie und fiel ihm überglücklich in die Arme. Stets brachte er ihr Geschenke mit: Schokolade aus der Schweiz, eine Stoffpuppe aus Frankreich, eine bunte Holzmarionette aus Italien. Doch das Gefühl der Sicherheit in den Armen ihres Vaters bedeutete Jennifer mehr als alle Geschenke der Welt.
    Als Paul March erfolgreicher wurde, zog die Familie in eine wunderschöne alte Villa in Long Beach. Das Grundstück lag am Wasser und verfügte über einen eigenen Steg. Obwohl Jennifers Vater sehr gut verdiente und Jenny eine schöne Kindheit verbrachte, hatten ihre Eltern einen eher bescheidenen Lebensstil. Ihre Mutter gab ihren Job als Sekretärin nach Jennifers Geburt auf, um sich ganz der Erziehung ihrer Tochter zu widmen. Jennifer liebte ihre Mutter. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen und blondes Haar. Und für die warmherzige Frau war die Rolle der Mutter die perfekte Erfüllung. Sie liebte Jenny über alles, genauso wie ihr Mann.
    Als Jennifer später, in der Pubertät, mit den üblichen Problemen zu kämpfen hatte, gab die Liebe ihrer Eltern ihr Selbstvertrauen. Jennifer hing sehr an ihrer Mutter, fühlte sich aber noch stärker zum Vater hingezogen. Vielleicht liebte sie ihn umso mehr, weil seine vielen Reisen in die Ferne ihn mit einer geheimnisvollen Aura umgaben.
    Trotz seiner zahlreichen Geschäftsreisen war Paul March stets bemüht, sich Zeit für seine Frau und seine Tochter zu nehmen. Manchmal reiste Jennifers Mutter mit ihrem Mann ins Ausland. In dieser Zeit kümmerte sich eine Kinderfrau um Jennifer, die dann durch lange Reisen in den Sommerferien für das Alleinsein entschädigt wurde, die sie durch Amerika, nach Mexiko und sogar nach
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