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Projekt Atlantis

Titel: Projekt Atlantis
Autoren: Andreas Wilhelm
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Seine Beine rutschten ins Leere. Er ließ die Taschenlampe fallen und griff nach den Zweigen vor ihm, glitt ab, krallte sich erneut in das Grün und bekam schließlich einen Ast zu fassen, als sich gleichzeitig das Seil an seinem Gürtel spannte. Er hing im Baum, seine Beine baumelten über dem Abgrund. Er suchte mit den Füßen einen Stand. Solange der Baum nicht vollends versank, war er sicher.
    »Ich habe Sie, señor! « , hörte er Jaime aus Richtung der Treppe rufen. Aber das nutzte ihm wenig. Wenn der Baum ihn mit sich nach unten riss, würde Jaimes Seil ihn auch nicht mehr halten könnte. Er musste nach oben!
    Er hangelte behutsam nach einem höheren Ast und prüfte, ob dieser fest genug war. Er befand sich nur wenig unterhalb des Bodenniveaus, unter normalen Umständen wäre es kein Problem, einfach aus dem Loch zu klettern. Nur konnte er sich nicht sicher sein, dass der Baum nicht plötzlich doch noch tiefer absackte. Aber er musste es wagen, eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Er löste das Seil von seinem Gürtel, als Rodrigo ihm ein anderes durch die Äste herabwarf. Es blieb zu weit von Patrick entfernt hängen. Rodrigo zog es wieder ein und warf erneut, bis es nah genug landete, sodass Patrick es erreichen und sich erneut daran befestigen konnte. Dann begann er mit dem Aufstieg. Einige nervenaufreibende Minuten später war er so weit in die Krone geklettert, dass er mit einem weiten Satz auf festen Boden springen konnte.
    Erleichtert setzte er sich auf den Boden, schnürte sich los und atmete aus. Er zündete sich eine Zigarette an, reichte den beiden Scouts, die ihm erfreut auf die Schulter klopften, je eine und betrachtete die Verwüstung. Der Fußboden der einstigen Mission war so gut wie vollständig verschwunden. Aus dem schwarz gähnenden Loch ragte der obere Teil des Urwaldriesen heraus, wie ein übergroßes Gebüsch. Der Stamm war fünf, vielleicht zehn Meter tief in der Cenote verschwunden und hatte vermutlich nicht einmal den Boden erreicht.
    Der Schatz! Er musste an die Truhe gelangen! Noch stand sie in der Nische der letzten Wand, die nicht zusammengefallen war. Er besprach den Plan mit Jaime und Rodrigo, die kurz darauf mit betriebsamen Vorbereitungen beschäftigt waren. Aus mehreren Seilen, Riemen und Gurten konstruierten sie eine Vorrichtung, mit der sie Patrick wie einen Freeclimber sichern konnten. Mit weiteren Gurten, Karabinerhaken und einer Machete bestückt, machte er sich noch einmal an den Abstieg, dieses Mal direkt von oberhalb der Stelle, an der sich die Truhe befand. Um das Gestein nicht zu belasten, benutzte er den Baum und achtete darauf, dass sich seine Aufhängung nicht in den Ästen verfing und er im Zweifelsfall nicht mitgerissen werden konnte. Dann stieß er sich ab und schwebte, nur von den Seilen gehalten, in der Luft zwischen den Ästen und der Truhe. Er schob die Machete unter das modrige Holz, hebelte es ein Stück an, fädelte die Gurte mehrfach darunter hindurch und befestigte sie mit den Karabinerhaken. Dann ergriff er die Verschnürung mit seinen Händen. »Ich habe sie!«, rief er, und kurz darauf wurde er langsam nach oben gehievt. Die Truhe hatte einiges Gewicht, aber es gelang Patrick, sie so lange zu halten, bis er wieder über der Erde war. Dann schwenkten ihn die Scouts herum, sodass sie ihn schließlich außerhalb der Ruine absetzen konnten. Die gesamte Aktion hatte vermutlich fünf Minuten gedauert, aber Patrick war schweißgebadet.
    Während Jaime und Rodrigo nun endlich das Lagerfeuer entfachten, begann er, das Holz zu untersuchen. Es war schwarz und glitschig nass, aber es war noch erstaunlich stabil. Die Truhe hatte keine Beschläge, es war eine rundum fest verschlossene Kiste. Patrick entdeckte fast vollständig zugequollene Löcher, in denen sicher Nägel steckten, wenn sie sich nicht schon aufgelöst hatten. Aber wenn das Holz hart genug und wasserabweisend war, mochten sie sogar noch erhalten sein; möglicherweise der Grund, weswegen die Konstruktion noch immer zusammenhielt.
    Er entdeckte eine schwach auszumachende Linie rund um den oberen Teil und begann vorsichtig, an dieser Stelle mit einem Messer in das Holz einzudringen und es auseinanderzudrücken. Nach und nach erweiterte er den Spalt, bis er den Deckel mit einer letzten Kraftanstrengung aufgebrochen hatte. Tatsächlich war er mit fingerlangen schmiedeeisernen Nägeln befestigt gewesen, die noch so ungeheuer fest steckten, als seien nicht Jahrhunderte, sondern nur Tage vergangen.
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