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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
Autoren: Heinrich Mann
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gekränkte Leberwurscht, darum können Sie mich ja doch besuchen, wenn niemand da is. Zum Beispiel heut nachmittag um fünf. Nu aber raus.«
    Und sie rauschte, mit allen Zeichen höchster Eile, durch die Portiere.
    Lohmann wußte gar nicht, wie das gekommen war; wie es gekommen war, daß er sogar Lust hatte. Er vermutete dabei die Anziehung, die das Verderben ausübt. Grade weil Ertzum nun eigentlich durch diese spaßige kleine Kypris mit dem gutmütigen Zynismus ihres Volkstons seinem Verderben nahe gebracht war. Und Ertzum liebte sie noch immer. Ertzum konnte für sein Geld wenigstens glücklich werden. Lohmann ging ganz kahl hin, ohne einen Funken. Er ging an Stelle seines Freundes, der sie sich durch langes Leiden verdient hatte. Wie unmöglich das vor zwei Jahren gewesen wäre. Er erinnerte sich, daß er damals mit Unrat – der Alte, selber schon ganz verloren, wollte ihn noch von der Schule jagen – Mitleid empfunden hatte, aufrichtiges, gar nicht boshaftes Mitleid. Jetzt dagegen ging er zu seiner Frau. Was das Leben aus einem machte, meinte Lohmann nochmals, melancholisch und stolz.
     
    Es empfing ihn, aus dem Innern der Wohnung, ein lautes Schelten. Das Mädchen öffnete ihm verlegen die Tür zum Salon. Lohmann erblickte der Künstlerin Fröhlich gegenüber, die sehr erregt war, einen schwitzenden Mann mit einem Blatt Papier in der Hand.
    »Was wollen Sie denn?« fragte er den Mann. »Ach so. Wieviel ist es. Fünfzig Mark! Und darum das Geschrei.«
    »Tjä, Herr«, erwiderte der Gläubiger, »ich bin man schon fumzigmal gekommen, wegen jede Mark einmal.«
    Lohmann bezahlte und entließ ihn.
    »Gnädige Frau mögen mir meinen Übergriff nicht verübeln«, äußerte er, nicht mehr ganz frei. Er fand sich in falscher Lage; was er jetzt etwa bekam, war ein Entgelt für das Geleistete. Wenigstens durfte es dann nicht bei fünfzig Mark bleiben; hiergegen wehrte sich Lohmanns Eitelkeit.
    »Da ich einmal begonnen habe, dreist zu sein – gnädige Frau, man schildert Sie mir, ich weiß nicht, ob mit Recht, als in einige peinliche Geldfragen verwickelt.«
    Die Künstlerin Fröhlich schlang krampfhaft die Finger ineinander und löste sie wieder. Sie wendete den Kopf ratlos hin und her auf dem steifen Kragen ihres tea-gown. Die tausend Plackereien ihrer von Lieferanten, Liebhabern und Wucherern gehetzten Tage stürzten ihr alle auf einmal durch den Sinn – und dort, in der ihr hingehaltenen Brieftasche, war ein dicker Packen brauner Scheine.
    »Wieviel?« fragte Lohmann ruhig; und immerhin vorsichtig: »Ich würde so weit gehen, wie ich kann.«
    Sie hatte ausgekämpft. Sie wollte nicht gekauft sein, von Lohmann nun mal grade nicht. »Nee, es is überhaupt nich wahr«, sagte sie. »Ich brauche nischt.«
    »Um so besser. Andernfalls hätte ich mich geschmeichelt gefühlt, gnädige Frau –«
    Er dachte flüchtig an Dora Breetpoot, und daß nun auch sie geldbedürftig und, wer weiß, für Geld zu haben sei? … Um der Künstlerin Fröhlich noch die Wahl zu lassen, legte er die Brieftasche geöffnet auf den Tisch.
    »Platzen wir uns man endlich«, sagte sie, und heiter ablenkend: »Haben Sie aber ’n gespicktes Portefölch!« Da er in kühlem Schweigen blieb: »Wie Sie all das Pinke-Pinke bloß loswerden. Sie tragen ja nich mal Ringe an den Fingern.«
    »Ich werde es auch niemals los.«
    Und er erklärte, unbesorgt, ob sie verstehe: »Ich bezahle keine Frauen, weil ich mich nicht selber demütigen möchte. Übrigens ist es unnötig. Es geht wie mit den Kunstwerken, für die ich Gott weiß was hingeben würde. Aber kann man die eigentlich besitzen? Man sieht eines im Laden, man trägt einen Traum fort. Dann kehrt man vielleicht um und kauft? Was kauft man? Die Sehnsucht bedarf keines Geldes, die Erfüllung ist es nicht wert.«
    Und er drehte sich von seiner Brieftasche schmollend weg. Zugleich übersetzte er ins Populäre: »Ich will sagen, daß ich schon tags darauf genug davon habe.«
    Die Künstlerin Fröhlich, von Ehrfurcht berührt und zugleich ein ganz wenig spottsüchtig im Angesicht ihres Idols, bemerkte: »Denn kaufen Sie sich woll nischt wie Essen und Trinken.«
    »Können Sie mir etwas anderes anraten?« Und er sah ihr auf einmal mit gefalteter Stirn so unverschämt in die Augen, als fragte er: Soll ich Sie kaufen, Sie? Achselzuckend, als Antwort auf das Unausgesprochene: »Die körperliche Liebe ist schlechthin widerlich.«
    Sie war ganz betreten. Dann wagte sie schüchtern, es komisch zu finden und
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