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Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition)
Autoren: Carolin Benedikt
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schließlich den ganzen Tag arbeiten und hatte keine Zeit, im Leben seiner Frau eine besondere Rolle zu spielen.
    Einen Moment lang wurde Carmen euphorisch. Sie dachte an all die Heiners dieser Welt, vorzugsweise die unter 35, an die Fummel, die in den Geschäften hingen und »Carmen, kauf mich!« schrien, an... Aber ein Moment ist eben nur ein Moment. Und ihm folgt gleich ein anderer Moment der tiefer Depression, in dem Carmen an Köhler dachte, an einen Mann, der mit Socken erstickt worden war, an ein angstvolles Mädchen mit einer Strieme auf der Stirn, so wie sie ein peitschender Zweig verursacht, wenn man panisch durch den Wald rennt. Sie dachte auch an Max, was ihre Depression vollkommen machte. Es war jetzt Punkt zehn, Zeit für die allmorgendliche Schmalz-SMS ihres Verflossenen, der gerade Frühstückspause machte, Kaffee trank, in der einen Hand ein Butterhörnchen hielt und mit der anderen sein I-Phone traktierte. Carmen schloss die Augen. Sie brauchte nur zu warten.
    »Ild 4ever. lolo. miss U«. Toll, dachte Carmen. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, die Wörter auszuschreiben. Ich liebe dich für immer, lot of love, vermisse dich. Die Standardfloskeln, die auch pickelige Fünfzehnjährige ihren vierzehnjährigen Angebeteten zusimsten. So wird das nichts, mein Lieber.
    Ein Moment der Euphorie, ein Moment der Depression. Wenn das Leben eine logische Kette wäre, hätte es Carmen im nächsten Moment wieder gut gehen müssen, aber tat es nicht. Ihr Handy klingelte und es klingelte bedrohlich. »Noch im Bett?« bellte Köhler, »oder haben Madame sich schon mal zum Kiosk bequemt und die Lokalzeitung gelesen? Die Doppelseite über den Mord im Oberwieder Forst? Mit scharfen Fotos und Zeugenaussagen und und und? DAS ist Journalismus!«
    Richtig. Und dort saßen sogar richtige Redakteure, die nicht als Vollzeittyrannen engagiert waren. Das sagte Carmen aber nicht, sie schwieg lieber, ließ das Schimpfen Köhlers stoisch über sich ergehen und dachte an etwas Schöneres, das Fegefeuer zum Beispiel.
    »Bewegen Sie mal Ihren Hintern! Der könnte etwas Bewegung sowieso gebrauchen, wenn ich das sagen darf, ohne Ihnen sexuell zu nahe treten zu wollen, was mir völlig fern liegt. Heut Mittag 16 Uhr ist Redaktionsschluss, wie Ihnen vielleicht zufällig bekannt sein dürfte, ich verlange eine ganze Seite, aber vom Feinsten!«
    Huch, was war denn hier los? »Da haben wir mal einen knackigen Mord in der Stadt und Madame speist mich mit einem unscharfen Foto und ein paar drögen Sätzen ab. Das muss besser gehen, Sie sind schließlich noch in der Probezeit.«
    War sie nicht, aber egal. Sie machte ein paar Mal »hm, hm«, was Köhler zu besänftigen schien, denn er wurde etwas ruhiger und warf ihr ein aufmunterndes »Wenn noch Wunder geschehen, werden Sie, so Gott will, eine halbwegs erträgliche Provinzjournalistin, also geben Sie sich Mühe« hin. Carmen nickte resigniert. Sie wusste nicht viel über Köhler, aber eines schon: Er glaubte nicht an Wunder. Sie noch weniger.
    In der Zeitung hieß der Tote Rainer P (52). Viel mehr als sie hatte der Kollege auch nicht zu berichten gewusst, okay, die Fotos waren besser. Der Besitzer der Jagdhütte habe nach dem Rechten sehen wollen und dabei die Leiche entdeckt, der Tod sei wohl durch Ersticken eingetreten, ein Fremdverschulden liege zweifellos vor. Tatzeit: geschätzt vorgestern am frühen Nachmittag, diverse Spuren in der Umgebung, die Polizei habe eine Sonderkommission »Söckchen« zusammengestellt. »Söckchen«, nicht »Socke«? Das klang nach süßen Kleinmädchensöckchen und nicht nach den Wollungetümen, die Jäger im Wald überstreiften. Interessant. Wieder ging Carmen dieses Mädchen durch den Kopf. Musste nichts zu bedeuten haben. Hätte sie nicht ähnlich reagiert? Eine fremde Frau tritt plötzlich aus dem Wald, kein Mensch sonst weit und breit... Stop, befahl sich Carmen. Ich bin genau an der Stelle aus dem Wald gekommen, an der auch der Mörder... Und hey, sehe ich vielleicht wie jemand aus, der kleine Mädchen anquatscht und ihnen Böses will? Warum also diese Angst? Warum dreht die sich um und rennt davon?

    *

    Ursula Conradi war seit vielen Wochen der erste Mensch, der sich ehrlich freute, Carmen zu sehen. Die ältere Dame, bei der sie knapp zwei Jahre gewohnt hatte, bat sie herein, betrachtete sie sorgfältig und befand, Carmen sehe besser aus als je zuvor. Eine Lüge, aber man hielt es gerne für wahr.
    Natürlich gab es gleich eine Einladung zum
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