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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Endl
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sich nicht.
    Der Horrlekin ächzte zwar, würgte sie aber nur umso mehr und meinte: „Für gute Tritte braucht man gute Schuhe. Und du hast nicht einmal schlechte an. In solchen Fällen empfiehlt sich ein Besuch in Überzeh. Obwohl ― die sind, glaube ich, zur Zeit so gut wie ausverkauft.“
    Mikolo und die Blaukappe waren inzwischen neben Aldoro aufgetaucht. Der Kapellmeister ließ den Kopf sinken, und als der Horrlekin rief: „Also, Schluss jetzt mit dem Theater!“, brach das Flötenspiel ab.
    Der Horrlekin ließ nicht los. Er schleifte Skaia die Stufen hinauf. Dann blickte er zu den Vögeln. Und Skaia spürte, wie sich direkt über ihr dumpfe und traurige Gefühle sammelten. Der Federbeutel schien zu brummen ― und ließ Skaia teilhaben an dem, was er von den Raben empfing. Über diesen Beutel also hielt der Horrlekin Kontakt mit den Tieren, erkannte ihre Ängste und wusste es auszunutzen.
    „Lass das Mädchen los!“, erscholl eine Stimme am Fuße der Treppe. Die Mitglieder der Theatertruppe standen dort so eng beieinander, als könnten sie dem Horrlekin mit geballter Macht etwas entgegensetzen. Sogar Lunetta war dabei. Schwarz wie die Nacht saß sie auf Tabbis Schulter. Natürlich: Die Raben kreisten immer noch am Himmel. Sie hatten niemanden mehr daran gehindert, die Wagen zu verlassen. In den Türrahmen erkannte Skaia die aneinander gedrängten Köpfe der Papageni.
    Papa erhob noch einmal laut die Stimme: „Sie hat dir nichts getan.“ Er klang energisch, aber Skaia spürte die Abgründe, in die seine Seele zu stürzen drohte. Was half es da, wenn sein geschultes Mimengesicht Entschlossenheit demonstrierte?
    „Deine letzte große Rolle, Papa?“, höhnte der Horrlekin. „Du überzeugst mich nicht. Los: Mut! Selbstlosigkeit! Raserei! Spiel die Gefühle nicht nur. Lebe sie! Wie sie dich durchdringen, wie du ihnen nachgibst, wie du dich ihnen auslieferst!“
    Der Beutel über Skaia bebte. In ihm tobten Zorn und Angst. Der Horrlekin lachte dreckig. „Wach auf aus deinen großen Reden!“ Urplötzlich verfiel die Stimme des Horrlekins in den pathetischen Tonfall, den Papa auf der Bühne dann zum Besten gab, wenn die Handlung ihrem dramatischen Höhepunkt entgegenstrebte und der entsprechende Monolog an der Reihe war:
     
    „Woget, ihr Wolken, hin,
    decket die Erde, dass es noch düsterer,
    finsterer werde!
    Schlängelt, ihr Blitze,
    mit wütendem Eilen,
    rastlos, die lastenden
    Nächte zu teilen!
    Strömet, Kometen,
    am Himmel hernieder!
    Wandelnde Flammen,
    begegnet euch wieder,
    leuchtet der hohen
    befriedigten Wut.
     
    Und dann? Was machst du, wenn den Worten Taten folgen? Wenn ...“, Skaia fühlte sein schreckliches Grinsen über sich schweben, „die Flammen wirklich wandeln ...“
    Ganz langsam ließ der Horrlekin die beiden Fackeln an Skaias Umhang gleiten. Die Flammen leckten gierig nach dem Stoff.
    Skaia schrie und strampelte.
    Der Horrlekin keckerte ihr dröhnend ins Ohr. Aldoro, Mikolo, Papa, Schnauz, Schnock, Squenz sprangen über die Stufen nach oben.
    Doch die Blaukappe war schneller. Mit jedem Meter wuchs sie, schwoll sie an, blähte sich auf. Als sie sich über Skaia und den Horrlekin warf, war sie zu einem donnernden Brand geworden. Skaia glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Wie wild hatte sie nach dem brennenden Umhang geschlagen. Doch jetzt waren die gelben Feuerfahnen, die sich schon hineingefressen hatten, fort. Es gab nur noch blaues Licht, mit dem Mikolos mächtig gewordener Freund Skaia und den Horrlekin umhüllte. Wärme wiegte sie sanft hin und her.
    Der Unterarm an Skaias Kehle löste sich. Sank wie verloren dahin. Ganz so, als habe sein Besitzer ihn auf einmal vergessen. Den Fackeln war die Macht geraubt. Ihre Flammen waren abgezogen, hatten nicht mehr als dunkle Stöckchen zurückgelassen. Sie klapperten zu Boden.
    Das Grinsen des Horrlekins war zerbrochen. Seine Wangen schienen eingefallen, die Augen starrten geweitet, auf der Suche nach etwas, woran sie sich festhalten konnten.
    Der Beutel über Skaia strahlte Kälte aus. Und doch verspürte Skaia den überwältigenden Wunsch, ihn zu umfassen. Sie wusste, dass es richtig war. Sie griff nach ihm. Skaia fühlte die Kugel, die im Beutel steckte. Und die Schrift, die hinein geprägt war: „Fühle die Sonne!“
    Die Pupillen des Horrlekins vibrierten, wurden schwarze Löcher. Einfallstore in Herz und Gehirn. Halb hob der Horrlekin die Hand, halb führte Skaia sie ihm. Hin zum Sonnenkreis. Zögernd umschlossen seine Finger die
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