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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Endl
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schwach war, wurde sie vom Schicksal herumgestoßen. War es nicht Zeit, sich zu wehren? Um sich zu hacken, zu beißen, zu kratzen, wie es die anderen taten?
    „Nein, nein, nein!“, krähte Skaia. Das waren nicht ihre eigenen Gefühle. Das wusste sie. Ihr wahres Empfinden hieß Angst. Angst, dass Gura Verzweiflung und Erschöpfung nicht länger ertragen würde, Angst, dass sie ihren Bruder umsonst nach Moxó gebracht und die Freunde sinnlos in Gefahr gebracht hatte, Angst, dass sie alle zu Clowns und Sklaven des Horrlekins wurden, Angst vor den Raben und Angst davor, dass sich die Angst immer weiter in sie hineinfraß. Es gelang ihr kaum noch, einen Rest von Klarheit in ihrem Kopf zu bewahren.
    Als ihr die Raben in die Parade flogen, an ihren Flügeln zerrten, ihr die Schnäbel in den Bauch rammten, verlöschte der letzte Funke Hoffnung in ihrer Seele.
    Im Taumeln sah sie den Horrlekin. Er sandte all die Angst aus, die Bosheit und den Hass. Skaia spürte, wie er sich auf sie konzentrierte. Sie verstand seine Botschaft: „Ich kenne deine verborgensten Gefühle. Ich muss sie nur wecken und wachsen lassen. Sie ganz allein werden es sein, die dich vernichten.“
    Sie stürzte zu Boden. Über ihr Schwarz. Mikolo schwang den Umhang des Hofrates gegen die Raben. Ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte. Sie saßen ihm in den Haaren, hängten sich an seine Ohren, krallen sich in seine Brust und bohrten ihm die Schnäbel in den Hals.
    Doch mit einem Mal ließen sie ab. Flatterten auf in die Lüfte. Kurvten in schwungvollen Bögen hoch über die Köpfe hinweg. Flogen Formationen, die den Himmel fantastisch verzierten und aufs Verblüffendste mit den zarten Flötentönen harmonierten, die auf einmal zauberhaft die Nacht durchdrangen.
    Aldoro hielt die Flöte am Mund und spielte eine verführerische Weise. Auf Bauchhöhe hing der Kapellmeister und dirigierte mit weitausholender Geste. Die beiden Akkordeonspieler hingegen hatten die Gelegenheit zur Flucht in einen der Planwagen ergriffen.
    Skaia zog sich den Umhang um ihren Mädchenkörper und knöpfte ihn rasch zu.
    Mikolo mühte sich, Gura auf die Beine zu bringen. Aber die umschlang ihn erst einmal so heftig, dass er selbst beinahe in die Knie ging.
    Skaia war sich sicher, dass die wundersamen Flötentöne alle bösen Gedanken auslöschten. Doch sie täuschte sich. Mit flackerndem Blick jagte der Horrlekin die Stufen herunter. Vor ihm fauchten die Fackeln, die er wirbelnd durch die Luft jonglierte. „Ich werde dir Flötentöne beibringen“, knurrte er und stürmte auf Aldoro zu. Verunsichert wich der zurück. Die Melodie kam ins Stottern.
    „Spiel weiter, spiel weiter“, schrie der Kapellmeister, während Skaia auf Aldoro zulief. Der Horrlekin würde ihrem Bruder die Fackeln um die Ohren schlagen. Ihn versengen, verbrennen, verkohlen. Sie spürte es ganz eindeutig.
    Aldoro offenbar auch.
    „Nein, lass die Flöte nicht sinken!“, beschwor ihn der Kapellmeister.
    „Die Vögel!“, warnte Mikolo. Manche von ihnen scherten aus den Bahnen aus, die der Schwarm am Himmel zog.
    „Spiel!“, befahl der Kapellmeister und boxte Aldoro in den Bauch.
    Aldoro setzte die Flöte wieder an die Lippen. Fixierte spielend den Horrlekin, der schon ausholte. Da rauschte die erste Fackel auf Aldoro nieder. Traf ihn am Kopf. Gleich würden die Haare in Flammen aufgehen.
    Skaia warf sich auf den Horrlekin.
    Aldoro spielte weiter. Kein Schrei war von ihm zu hören. Seine Haare loderten nicht.
    Der Kapellmeister schrie gegen das Aufheulen des Horrlekins an: „Die Flöte schützt uns vor dem Feuer, wie einst bei Tamino.“
    Der Horrlekin raste vor Wut, schüttelte Skaia ab, aber nur, um gleich wieder nach ihr zu fassen. Er riss sie an sich, drückte ihr von hinten einen Unterarm an die Kehle. Schlagartig wurde es heiß, als der Horrlekin ihr die Fackeln vor das Gesicht hielt.
    „Hörst du auf, oder nicht?“, fuhr er Aldoro an. „Deine Flöte mag dich schützen, aber das Mädchen nicht. Oder sollen wir es auf einen Versuch ankommen lassen?“
    Skaia wand sich im Würgegriff des Horrlekins. Sie sollte sich verwandeln, schoss es ihr durch den Kopf. Aber die Angst vor den Flammen, die ihr vor den Augen tanzten, raubte ihr jede Vorstellungskraft. Ein unscheinbarer, befiederter Beutel, den der Horrlekin an einem Band um den Hals trug, schlug hart gegen ihren Kopf. Sie trat nach dem Schienbein ihres Peinigers, so kräftig, wie sie nur konnte. Aber ihre Hoffnung, er würde locker lassen, erfüllte
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