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Pretty Daemon

Pretty Daemon

Titel: Pretty Daemon
Autoren: Julie Kenner
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noch nicht sterben. Doch in diesem Moment sah es ganz so aus, als ob mir keine große Wahl blieb.
    Die Zeit schien auf einmal alle Bedeutung zu verlieren. Quälend langsam drehte sich die Welt. Die Klinge berührte mein Sweatshirt und durchschnitt es. Der Schmerz, den ich nun empfand, breitete sich wie ein roter Blutfleck in meinem Körper aus. Seltsamerweise sah ich nicht mein Leben vor mir ablaufen, sondern das meiner Kinder. Heiße Tränen strömten mir über die Wangen, und ich verfluchte Gott und die Welt, weil mir das Leben geraubt werden sollte. Weil das Böse zumindest für diesen Moment zu siegen drohte.
    Mein Schluchzen vermischte sich mit einem lauten Aufheulen. In diesem Augenblick geschahen zwei Dinge: Der Druck auf meinen Körper ließ nach, und etwas Großes, Graues klammerte sich an den Kopf des Dämons.
    Kabit.
    Ich nutzte die Gelegenheit und schnellte hoch. Es gelang mir, eine Hand zu befreien und dem Dämon einen soliden Kinnhaken zu verpassen, während ich gleichzeitig mein Knie hochriss und ihn damit in die Eingeweide traf. Sein Mund klappte zu, und er gab keinen Laut mehr von sich, sondern fiel rücklings auf den Boden.
    Meine fantastisch kluge Katze stieß daraufhin ein ohrenbetäubendes Miau aus und sprang davon – allerdings erst, nachdem sie ihre Klauen noch einmal in das Gesicht des Dämons geschlagen hatte. Das gute Tier! Es hatte sich soeben für einen ganzen Monat Thunfisch verdient.
    Die Tatsache, dass Kabit faul, dick und alt war – und damit auf keinen Fall zu den typischen Kämpfern und Angreifern unter den Katern gehörte – störte mich in diesem Moment wenig. Ich hatte schon immer fraglos Wunder akzeptiert, und dieses war eindeutig zur richtigen Zeit eingetreten.
    Als sich der Dämon über sein schmerzverzerrtes Gesicht wischte, sprang ich auf die Füße. Hastig sah ich mich nach meinem Stilett oder etwas Ähnlichem um, was ich als Waffe benutzen konnte. Ich entdeckte eine von Timmys Plastikschaufeln. Entschlossen stürzte ich mich darauf und brach sie entzwei. Jetzt war ich mit einem roten Plastikstiel bewaffnet, der eine hässliche Spitze aufwies – im Grunde jener Art von Gegenstand, mit dem sich ein Kind jederzeit ein Auge ausstechen konnte. Oder mit dem man einem Dämon den Garaus machen konnte.
    Ich überlegte mir für einen Moment, den Plastikstiel zu werfen, doch dann entschied ich mich dagegen. Ich mochte vielleicht wissen, wie mein Stilett oder auch diverse Messer durch die Luft flogen, doch bei einem Plastikspielzeug war das etwas anderes. Die einzige Möglichkeit, wie ich das Monster in die Hölle zurückschicken konnte, war ein gezielter Stich durch sein Auge, und der musste diesmal leider aus nächster Nähe erfolgen.
    Der Dämon, der nicht dumm war, hatte sich inzwischen aufgerappelt und rannte auf unser Gartentor zu. Auf dem Weg dorthin wich er den kleinen Lastwagen aus Plastik und den Sandkastenformen meines Sohnes aus, die überall verstreut lagen. Ich hingegen ließ mich durch diese Hindernisse nicht irritieren. Schließlich bin ich eine Topexpertin, wenn es darum geht, Duplosteinen und sonstigen Spielzeugen meines Sohnes auszuweichen, während ich einen dampfenden Braten durch das Haus trage und meinen Kindern gleichzeitig befehle, sich vor dem Essen noch die Hände zu waschen. Es war also ein Leichtes für mich, den Dämon einzuholen.
    Ich griff ihn von hinten an und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht. Er stolperte über den Dinosaurier-Sandkasten, den ich offen gelassen hatte. Mit einem dumpfen Knall landete er auf dem Boden, und ich warf mich auf ihn. Die Plastikspitze hielt ich drohend über sein Auge. Wenn er sich auch nur ein wenig bewegen würde, wäre alles innerhalb einer Sekunde für ihn vorbei.
    »Wer hat dich geschickt?«, fuhr ich ihn an.
    Sammy Watson war gerade neu entstanden. Wenn er mich bereits zu diesem Zeitpunkt angriff, musste das bedeuten, dass er von einem in der Hierarchie höherstehenden Dämon dazu angewiesen worden war. »Und was hat es mit diesem Schwert des Himmels auf sich?«, fügte ich noch hinzu, wobei ich meine beschränkten Lateinkenntnisse zu Hilfe nahm, um den von ihm verwendeten Ausdruck zu übersetzen.
    »Er kommt wieder, um sich an dir zu rächen«, antwortete Watson, dessen Stimme auf einmal recht hoch klang. »Sein Zorn wird größer sein als zuvor.«
    »Wer?«, drängte ich. »Wer kommt wieder?«
    Der Dämon lächelte böse. »Er, der sich rächen will. Er, der ins Kardinalfeuer geworfen wurde. Er verlangt nach
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