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Power and Terror

Power and Terror

Titel: Power and Terror
Autoren: Noam Chomsky
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Militärhilfe an die Türkei sei. Es ist doch merkwürdig: Alle sind besorgt über die Ausbreitung des Terrorismus. Dabei gäbe es ein einfaches Mittel, sie zu verhindern – man darf sich nicht daran beteiligen. Allein das würde das weltweite Ausmaß des Terrorismus drastisch reduzieren.
    Das gilt in unterschiedlicher Ausprägung für fast alle Länder, die ich kenne, insbesondere jedoch für die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland und andere. Aber so reagieren Regierungen nun mal – und Intellektuelle.

    Das ist eine erstaunliche Doppelmoral oder Heuchelei. Da ich in Japan lebe, sprechen wir oft über die japanische Verantwortung für Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Dabei schicke ich jedesmal voraus, daß ich aus einem Land komme, das in Vietnam Krieg geführt und ihn einen Monat nach Beendigung schon vergessen zu haben schien.

    Er ist in einem recht bemerkenswerten Ausmaß vergessen worden. Im März 2002 war der vierzigste Jahrestag der öffentlichen Bekanntgabe, daß die USA Südvietnam angreifen, daß US-Piloten Südvietnam bombardieren. Damals begann Washington mit der chemischen Kriegführung und der
    Einrichtung von Sammellagern für Millionen Südvietnamesen.
    Das alles spielte sich in Südvietnam ab. Keine Russen, keine Chinesen waren dort, noch nicht einmal Nordvietnamesen, obwohl es doch auch ihr Land war. Es handelte sich nur um einen öffentlich bekanntgegebenen Krieg der USA gegen Südvietnam, an den sich nach vierzig Jahren keiner mehr erinnert. Es ist einfach nicht wichtig. Wenn andere uns etwas antun, dann ist es das Ende der Welt. Aber wenn wir anderen 13
    etwas antun, ist das ganz normal, warum sollte man darüber Worte verlieren.

    Das gilt auch für Japan.

    Ich glaube, in Japan ist es etwas besser gelaufen. Japan hatte den Krieg verloren, und Verlierer sind gezwungen, ihren Untaten einige Beachtung zu schenken. Sieger müssen das nicht.
    Denken wir nur an die Kriegsverbrecherprozesse von Tokio.3
    Zweifellos hatten sich die Angeklagten aller möglichen Verbrechen schuldig gemacht, aber der Prozeß selbst war eine Farce und nicht nur aus juristischer Perspektive schändlich. Und wurden US-amerikanische Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt?
    Anhand der Nürnberger Prozesse läßt sich zeigen, wie die Prinzipien zur Bewertung von Kriegsverbrechen konstruiert wurden. Die Siegermächte mußten entscheiden, was als Kriegsverbrechen gelten sollte. Und die Definition war sehr eindeutig: Ein Verbrechen ist nur dann ein Kriegsverbrechen, wenn es von den Deutschen verübt wurde.
    Mithin war die Bombardierung städtischer Wohngebiete durch Briten und Amerikaner kein Kriegsverbrechen. Andererseits konnten deutsche U-Boot-Kommandanten sich bei ihrer
    Verteidigung auf amerikanische Kommandanten berufen, die bezeugten: »Ja, wir haben das gleiche getan.« Und sie wurden freigesprochen.
    Und es kommt noch schlimmer. Zweifellos war die Öffnung der Deiche in Holland [durch die deutsche Wehrmacht] ein Kriegsverbrechen. Aber einige Jahre später bombardierte die US-Air Force in Nordkorea, nachdem sie das Land völlig zerstört hatte, auch noch die Dämme. Das ist ein gewaltiges Kriegsverbrechen, schlimmer als die Öffnung der Deiche in Holland. Und man war auch noch stolz darauf.
    14
    Die offizielle Geschichte der Air Force und die Zeitschrift Air Force Quarterly beschreiben das Vorgehen mit allen schrecklichen Einzelheiten – wie ganze Täler im Wasser versanken und die Menschen mit hilfloser Wut zusehen mußten.
    Aber es galt als große Errungenschaft. Für die Asiaten ist Reis lebenswichtig. Hier treffen wir sie, wo es ihnen wirklich wehtut.
    Das ist eine Art von rassistischem Fanatismus. Einige Jahre zuvor wurden Deutsche in Nürnberg für weniger gehängt.
    Diese Bombardierung der Dämme in Nordkorea ist aus der Geschichte verdrängt worden. Niemand weiß etwas davon.
    Um es herauszufinden, muß man schon über Spezialkenntnisse verfügen.4

    Auch in Vietnam gab es viele Vorfälle …

    Ich erinnere mich an einen Artikel, über den ich damals etwas schrieb. Er war im Christian Science Monitor erschienen, einer führenden Zeitschrift, die zwar auch wegen ihrer Frömmigkeit bekannt ist, aber journalistisch sehr gut gemacht. Der Artikel stammte von einem ihrer Korrespondenten und war betitelt:

    »Lastwagen oder Dämme?« Es ging um die Frage, ob wir in Vietnam lieber das eine oder das andere bombardieren sollten.
    Der Tenor des Artikels lief darauf hinaus, daß es zwar befriedigender sei,
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