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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition)
Autoren: Stefan Slupetzky
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benimmt sich (je nach Opportunität) snobistisch bis exzentrisch und lässt sich seit jeher nur von Künstlern vögeln, die ihr an Snobismus und Exzentrik ebenbürtig sind. Dafür aber von allen.
    Bei Polivka hat sie vor sechs Jahren eine Ausnahme gemacht; da war es eher sein exotisches Berufsbild, das sie sich an eine ihrer Wände nageln wollte. So ein Pantscherl mit einem Kriminalinspektor sorgt natürlich für Gesprächsstoff, und Gesprächsstoff war für Gerda immer schon der Stoff, aus dem die Träume sind. Es musste neuer her, sobald man sich an Polivka gewöhnt hatte und Klatsch und Tratsch verebbten. Beispielsweise eine Hochzeit.
    Polivkas und Gerdas Gang zum Standesamt geriet – wie hätte es auch anders sein können – zur Kunstaktion: Die Gratulanten waren angehalten, sich im Stil der amerikanischen zwanziger Jahre zu kleiden, sodass der Platz vor dem Amtsgebäude in der Josefstadt nur so von Al Capones und Josephine Bakers wimmelte. Polivka – als Eliot Ness – ließ das Kostümfest lächelnd über sich ergehen (er war zu glücklich, um es zu bekritteln), seine Mutter aber, die in einem stinknormalen fliederfarbenen Kostüm erschienen war, verfolgte das Spektakel mit zutiefst gekränkter Miene. Schließlich habe sie nicht wissen können, klagte sie, dass diese Schnapsidee tatsächlich ernst gemeint gewesen sei, sie fühle sich gedemütigt und deplaciert und sei nur froh darüber, dass der Vater dieses schamlose Theater nicht mehr miterleben müsse.
    Kaum dass Polivka nun also einen festen Platz in Gerdas Lebensgalerie gefunden hatte, fingen seine Farben zu verblassen an, und seine Frau beschloss, ihm einen neuen Anstrich zu verpassen. Lederstiefel, Sonnenbrille und ein pinkfarbenes Stecktuch waren das Mindeste, was sie von ihm erwartete, wenn er sie bei diversen Vernissagen oder Partys nicht blamieren wollte.
    Polivka ließ sich mit halbem Herzen darauf ein: Tagtäglich hetzte er auf schnellstem Weg von seinem Dienst nach Hause, zog sich um, so rasch er konnte, und verbrachte dann die Abende in unbequemen Kleidern mit blasierten Menschen und ungenießbarem Wein. Die andere Hälfte seines Herzens hatte sich zu dieser Zeit schon isoliert; sie kam nur noch aus ihrem dunklen Winkel, um sich am Buffet das Weinglas nachzufüllen.
    Es hätte also dieses (wie ihn Gerda nannte: aufstrebenden ) Malers gar nicht mehr bedurft. In einer Mittagspause schaute Polivka bei seiner Frau vorbei, um ihr hallo zu sagen und einen Kaffee mit ihr zu trinken. Als er ins Büro der Galerie trat, beugte sich der aufstrebende Maler gerade übers Kanapee und tauchte seinen aufstrebenden Pinsel tief in Gerdas frischen Firnis. Gerda selbst lag halb entkleidet auf dem Sofa und gerierte sich als Raubkatze, sie fauchte, biss und schnurrte; auf dem nackten Rücken ihres Pinseldesperados hatten ihre Fingernägel eine Kaltnadelradierung hinterlassen. Diese Szene machte Polivka bewusst, dass sie ihm schon seit Monaten zuwider war. Der bloße Umstand ihrer Untreue fiel dabei weniger ins Gewicht als diese ekelhafte Affektiertheit, die sie nicht einmal im Bett ablegen konnte.
    Noch am selben Abend packte Polivka die Koffer, um aus Gerdas Wohnung zu verschwinden. Seine eigene hatte er kurz vor der Hochzeit gekündigt, also zog er nun (vorübergehend!) wieder in sein Elternhaus.
    «Ich hab es gleich gewusst», sagte die Mutter, als er mit den Koffern auf der Schwelle stand.
    Sie hatte Gerda vom ersten Moment an gehasst, doch dieser heiße, inbrünstige Hass verflog von einem Tag zum anderen, als Gerda plötzlich anfing, sie zu ihren Vernissagen einzuladen. Seit der Scheidung war ein halbes Jahr vergangen, Polivka trug wieder Schnürlsamt, trank wieder guten Wein und hatte diese unwürdige Episode seines Lebens fast vergessen, da stand eines Abends seine Mutter in der Zimmertür. «Jetzt stell dir vor», begann sie, «heute war ich bei der Gerda in der Galerie, so toll, ich sag dir, solche interessanten Leute, alle haben sich um mich gerissen, überhaupt die Gerda, so entzückend und zuvorkommend, das hättest du erleben sollen. Vielleicht willst du ja mitgehen, wenn ich wieder …»
    «Nein», gab Polivka zurück. «Du kannst natürlich tun und lassen, was du willst, nur mich lass bitte ein für alle Mal mit dieser Frau in Ruhe.»
    «Weißt du, wie dein Vater noch gelebt hat, waren wir oft auf Vernissagen. Aber jetzt, so ganz allein mit lauter Fremden … Vielleicht willst du dir’s noch einmal überlegen.»
    «Nein, das will ich
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