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Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch
Autoren: Coline Serreau
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Wanderung. Darf, äh, darf ich dir meinen Vetter Ramzi vorstellen?«
    »Hör mit diesem Blödsinn auf, ich kenne Ramzi!«
    Camille und Ramzi küssen sich auf die Backen wie alte Kumpel.
    »Wie geht’s, Ramzi?«
    »Ganz gut. Said und ich pilgern nach Mekka.«
    »Wohin?«
    Nun ist es so weit, schon redet Ramzi Unsinn... Said unterbricht ihn schnell und fragt Camille: »Machst du auch eine Wanderung?«
    »Ja, ich pilgere zusammen mit meiner Kusine Elsa. Elsa, das ist Said, und das ist sein Vetter Ramzi. Said und ich waren auf derselben Schule... Wir sind mit einer Gruppe unterwegs.«
    Elsa versucht, dieses überraschende Knäuel aus Informationen zu entwirren.
    »Said? Ach, dann sind Sie der Said, der...«
    Camille wünscht sich nur, dass Elsa still ist.
    »Ja, der Said.«
    Elsa: »... der mich angerufen und mich nach der Adresse von Chemin Faisant gefragt hat?«
    Auch Said wünscht sich, sie wäre still.
    »Jaja, genau.«
    Camille: »Wie? Er hat dich angerufen?«
    Elsa: »Ja, er wollte die Adresse von...«
    Said: »Ja, ich habe einen Veranstalter von Wandertouren gesucht und deshalb...«
    Camille zu Said: »Woher hattest du denn ihre Telefonnummer?«
    Die Fragen werden immer konkreter. Said ist verlegen, zum Glück greift Guy ein.
    »Hallo, Sie sind also Camille?«
    »Ja, hallo! Sie sind von Chemin Faisant?«
    »Genau.«
    »Das ist Elsa.«
    »Hallo, Elsa. So, nun fehlt nur noch Claude...«
    In diesem Moment betritt Claude die Halle, entdeckt seine Schwester und steuert geradewegs auf sie zu.
    »Grüß dich, Clara«, flüstert er dringlich. »Kannst du mir aus der Klemme helfen? Ich geb’s dir zurück, wenn wir geerbt haben, ich hatte nicht genügend Geld, um eine Fahrkarte bis Le Puy zu lösen, also bin ich nur bis Saint-Etienne gefahren und habe ein Taxi genommen, das macht zweihundertzehn Euro, das ist teuer, ich weiß, aber der Fahrer wartet draußen, er hat ziemlich schlechte Laune, weil ich noch nicht bezahlt habe, ich bin völlig blank, aber ich schwöre dir, dass ich es dir zurückgebe, wenn...«
    Clara blickt ihrem Bruder ganz ruhig in die Augen und schleudert ihm ein klares, stahlhartes Nein mitten ins Gesicht, doch er gerät nicht einmal aus dem Takt.
    Dickhäutig wie ein Elefant fährt er fort: »Jetzt fang dich mal wieder! Wenn ich nicht mitkomme, kriegst auch du dein Erbe nicht. Es sind doch nur zweihundertzehn Euro, gib mir zweihundertfünfzig, und ich lass dich in Ruhe, ich werde dich auf dem ganzen Weg um nichts mehr bitten.«
    Aus Claras Pupillen schieben sich nun zwei Kalaschnikows hervor. Immer noch seelenruhig feuert sie ab.
    »Read my lips: No, njet, nada, nein, nichts, rien, du bekommst von mir keinen Sou, hau ab!«
    Guy kommt zu den beiden herüber.
    »Hallo, Sie sind doch... Claude?«
    »Ja... Warten Sie bitte ganz kurz, ich muss noch dringend etwas erledigen.«
    Er geht zu seinem Bruder Pierre, der alles gehört hat und der auch spürt, wie ihm das Adrenalin ins Blut schießt.
    »Pierre, kannst du mir bitte aushelfen, ich bin von Saint-Etienne mit dem Ta...«
    Pierre kocht. Er findet es unerträglich, dass sein verfluchter Bruder allen Leuten hier vorführt, dass er kein Rückgrat hat, und in aller Öffentlichkeit um Geld bettelt. Er zieht ein Bündel Geldscheine aus der Tasche.
    »Hier hast du deine zweihundertfünfzig Euro, nimm von mir aus auch dreihundert. Da, dreihundert Euro. Reicht das? Und fall uns jetzt nicht mehr auf die Nerven, zieh Leine und bezahl dein Taxi, hau einfach ab, du Nichtsnutz!«
    Wütend wirft er ihm die Scheine zu. Claude fängt drei auf, erwischt noch einen vierten im Flug und läuft hinaus zu dem Taxifahrer, der ihn von Saint-Etienne hierhergebracht hat und der nun so sauer ist, dass er fast platzt. Claude beschwichtigt ihn mit dem Geld und kommt glücklich und zufrieden zurück.
    Einen Rucksack hat er nicht dabei.
    Guy ist froh, dass seine Schäflein beisammen sind, und bläst zum Aufbruch.
    Camille will sich von ihrem Freund Said verabschieden.
    »Also, tschüs dann, Said, ich muss los.«
    »Ja, tschüs, ich muss auch gehen.«
    Camille küsst Ramzi zum Abschied auf die Backe.
    »Tschüs, Ramzi, ich wünsche dir eine schöne Wanderung.«
    »Ja. Wir gehn mit Chemin Faisant, so heißen die, das is unser Betreuer...«
    Camille ist verdutzt.
    »Nein, das ist doch unser Betreuer, er pilgert nicht nach Mekka, sondern nach Santiago de Com-postela.«
    »Da gehn wir auch hin.«
    »Wohin?«
    »Nach Santiago-Mekka. Ihr auch?«
    »Nun... Wir wandern nach Santiago,
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