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Phönix

Titel: Phönix
Autoren: Unbekannter Autor
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ab. Nach einigen Sekunden blickte er auf. »Es meldet sich niemand, Sir.« Er schaute auf das Regal, das hinter ihm stand. Ihr Schlüssel hing dort. Er drehte sich wieder zu mir um. »Sie muß fortgegangen sein, bevor ich meinen Dienst angetreten habe.«
    Ich nickte und streckte meine Hand nach dem Schlüssel aus. »Sie wird vermutlich jeden Augenblick zurück sein. Ich werde oben auf sie warten.«
    »Das ist reichlich ungewöhnlich, Sir«, zögerte er, bis er den Geldschein in meiner Hand entdeckte. Da schlug seine Stimme plötzlich um. »Aber ich nehme an, daß es in Ordnung ist, nachdem ich gesehen habe, wer Sie sind«, schloß er und händigte mir den Schlüssel aus.
    Ich bedankte mich und ging in die Wohnung hinauf. Ich schloß auf, drehte das Licht an, ließ den Hut und den Mantel auf einem Stuhl neben der Tür liegen und mixte mir einen Whisky mit Wasser. Der Raum war warm, ich öffnete das Fenster einen Spalt und setzte mich gegenüber in einen Sessel.
    Schwach drangen die Straßengeräusche an mein Ohr. Ich fragte mich, ob sie wohl Sandras Geschichte kannte. Wahrscheinlich nicht, sonst hätte sie mir sicher davon erzählt. Oder nicht? Schließlich gehörte Matt Brady immerhin zu ihrer Familie.
    Es war fast zehn, als ich aufstand, um mir noch einen Whisky einzugießen. Ich drehte das Radio an und setzte mich wieder hin. Ich war müde, meine Augen brannten. Ich schaltete das Licht aus und saß im Dunklen. Die leise Musik beruhigte. Ich spürte, wie sich meine Nerven allmählich entspannten. Ich setzte das Glas vorsichtig auf den Tisch neben mir und döste ...
    Irgendwo aus der Ferne vernahm ich die Nationalhymne. Mühsam riß ich die Augen auf, die schwer waren vor Müdigkeit. Ich drückte auf den Schalter, Licht überflutete den Raum. Die Hymne kam aus dem Radio, der Sender verabschiedete sich für die Nacht. Ich schaute auf meine Uhr: es war drei.
    Ich stand auf und stellte das Radio ab. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie müde ich war. Wo mochte sie nur stecken? Einer plötzlichen Eingebung folgend, ging ich in ihr Schlafzimmer und öffnete den Schrank.
    Also doch. Ihr Reisegepäck war nicht da. Ich schloß den Schrank und kehrte in den anderen Raum zurück, nahm Hut und Mantel und verließ die Wohnung. Während der Aufzug hinunterfuhr, quälte mich ein eigenartiger Schmerz. Schließlich hätte sie mir die Möglichkeit zu einer Erklärung geben müssen. Ich warf den Schlüssel auf den Tisch der Anmeldung, ging hinaus und rief ein Taxi.
    27
    Während ich mich anzog, kam Marge ins Zimmer. Ich stand vor dem Spiegel und wollte mir eine Krawatte binden. Ich unternahm bereits den vierten Versuch, sie saß nicht richtig, und ich fluchte leise vor mich hin.
    »Laß mich das machen«, sagte sie.
    Ich drehte mich um, geschickt band sie die Krawatte und rückte sie zurecht. »Der einzige Mann auf der Welt mit zehn Daumen.« Sie lächelte.
    Ich schaute sie verwundert an. War der Kriegszustand beendet? Seit einer Woche war das ihr erstes nettes Wort für mich. »Keine Möglichkeit, mich jetzt noch umzukrempeln«, lächelte ich zurück. »Dazu bin ich zu alt.«
    Mit leiser Wehmut blickte sie mir ins Gesicht. »Davon bin ich nicht so überzeugt«, sagte sie langsam. »In gewisser Hinsicht hast du dich schon verändert.« Ich wußte, was sie meinte, aber ich wollte die Streitfrage nicht schon wieder aufgreifen. »Ich fliege heute nach Pittsburgh, um mit Matt Brady zu sprechen«, sagte ich.
    »Rührt sich was?« fragte sie voll Hoffnung.
    »Die letzte Chance. Entweder schaffe ich es heute, oder ich muß kapitulieren.«
    Sie schaute zur Seite. »Ist es denn so schlimm?«
    »Ja. Das Büro ist geschlossen, und die Rechnungen beginnen sich zu türmen.«
    »Was wirst du ihm sagen?«
    Ich nahm meine Jacke vom Bett und schlüpfte hinein. »Ich versuche eine kleine Erpressung, das ist alles.«
    »Ist so was nicht gefährlich?« fragte sie bekümmert.
    »Ein bißchen. Aber ich habe nichts mehr zu verlieren.«
    Sie antwortete nicht sofort. Geistesabwesend strich sie die Bettdecke glatt. »Die Firma bedeutet dir so viel?«
    »Wir müssen ja schließlich essen, du kannst die Kinder nicht mit warmer Luft großziehen.«
    »Wir könnten mit viel weniger auskommen, wenn es sein müßte. Das wäre besser, als wenn du in noch mehr Schwierigkeiten gerätst.«
    Ich lachte. »Noch mehr können es gar nicht werden.«
    »Hoffentlich weißt du, was du tust«, sagte sie zweifelnd.
    »Ich werde schon damit fertig.«
    Wir gingen zur Tür und stiegen
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