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Phönix

Titel: Phönix
Autoren: Unbekannter Autor
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ihn. Der Umschlag war geöffnet. Ich schaute sie an.
    »Der erste ist an mich«, erklärte sie rasch, »drinnen steckte noch einer. Der ist an Sie.«
    Ich öffnete ihn, und der vertraute Duft von Elaines Parfüm strömte mir entgegen. Ich schloß die Augen; ich konnte sie vor mir stehen sehen. Der innere Umschlag war versiegelt. Ich schlitzte ihn auf und blickte zu Sandy; sie stand immer noch vor mir.
    »Ich werde draußen warten«, sagte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Bleiben Sie hier.«
    Sie ging zur Couch hinüber und setzte sich. Ich sank auf meinen Sessel und begann, Elaines Brief zu lesen. Sie hatte eine saubere, ordentliche Handschrift, die keinerlei Erregung verriet. Offenbar war sie mit sich schon ins reine gekommen, als sie sich hinsetzte, um diesen Brief zu schreiben. Er trug das Datum von vorgestern.
    »Mein liebster Brad, seit ich Dich am Flugzeug verließ, habe ich ständig an Dich gedacht und gebetet. Meine einzige große Hoffnung ist, daß es Deinem Sohn wieder gutgeht. Das ist das Allerwichtigste auf dieser Welt.
    Während ich an Dich dachte, wurde mir erst klar, wie kleinlich und lächerlich, wie selbstsüchtig wir gewesen sind. Wir, die wir bereit waren, alles in unserer Welt der Leidenschaft des Augenblicks zu opfern.
    Denn in Wahrheit war dies das einzige, was wir je miteinander haben konnten, auch das wurde mir klar. Mein Leben war bereits zu Ende, ich habe nur versucht, mir etwas von dem Deinen zu borgen.
    Ich glaube, ich habe Dir einmal erzählt, daß Du die gleichen Eigenschaften besitzt, die gleichen Ansichten und die gleiche Liebe zu Deiner Familie, wie er sie für uns empfand.
    Das war es, was mich zuerst anzog, aber damals wußte ich das noch nicht. Du warst der gleiche Typ.
    Als Du fort warst, fand ich in meiner Einsamkeit den Weg zum Friedhof, wo David und die Kinder ruhen. Ich habe mich dort auf die Bank gesetzt und den Grabstein betrachtet, der bereits meinen Namen trägt. Es ist ein Platz an seiner Seite, der Platz, den ich immer innehatte, als er noch lebte. Da begriff ich, daß ich niemals bei ihm und den Kindern sein könnte, wenn ich bei Dir wäre. Wir könnten niemals wieder vereint sein, die wir einander so viel bedeutet haben. Und so wurde mir klar, daß ich Dich nicht weniger liebe, aber daß ich    David und    die Kinder noch mehr liebe.
    Bitte, glaube    nicht, daß    ich Deine Liebe verraten hätte. Sie
    war mir wertvoller als ich Dir jemals gesagt habe. Bitte, denk gut von mir und bete für mich. In Liebe
    Elaine.«
    Meine Augen brannten noch immer von all den Tränen dieses Tages,    aber ich fühlte    mich jetzt    besser. Ein Stein fiel mir vom    Herzen.    Ich stand auf.    »Es war lieb von Ihnen, daß Sie mir den    Brief
    gebracht haben, Sandy«, bedankte ich mich heiser.
    Sie stand ebenfalls auf. »Das mußte ich doch. Ich wußte, daß Sie sie geliebt haben.«
    Ich holte tief Luft. »Ich habe sie geliebt«, sagte ich. »Ich hatte nur nie begriffen, wie schmerzvoll ihr Leben, wie verwundet sie gewesen war. Ich erinnerte mich einzig und allein an ihre Augen, die etwas von diesem Schmerz verraten hatten.«
    Sie stand an der Tür. »Ich muß wieder zurück«, sagte sie. »Ich habe Tante Nora versprochen, um zwölf wieder zu Hause zu sein.«
    »Tante Nora?« fragte ich überrascht.
    Sie nickte. »Mr. Brady hat mich mit nach Hause genommen, damit ich sie kennenlerne. Er möchte gern, daß ich mich als ihre Tochter fühle. Ich bleibe eine Weile bei ihnen.« Ein etwas verwirrtes Lächeln lag auf ihren Lippen. »Ich möchte nur wissen, was Sie an diesem Tag damals zu ihm gesagt haben. Seither ist er ein völlig anderer Mensch. Allmählich beginne ich direkt, ihn gern zu haben. Wenn man ihn nämlich ein bißchen näher kennenlernt, ist er wirklich reizend.«
    »Das freut mich, Sandy«, sagte ich, ging auf sie zu und schaute sie an. »Sie werden jetzt eine große Hilfe für die beiden sein.«
    »Das hoffe ich.« Sie lächelte und bot mir ihre Wange.
    Ich küßte sie wie ein Kind. »Auf Wiedersehen, Sandy.«
    Die Tür schloß sich hinter ihr, ich ging hinüber ans Fenster und öffnete es. Ich zerriß Elaines Brief in winzige Fetzen und ließ sie aus dem Fenster flattern.
    Es war ein Ende, aber es war auch ein Anfang. Ein neues Leben und ein neues Verstehen für mich. Ich unterschied mich in nichts von so vielen anderen Männern, die vergaßen, daß der Herbst die Jahreszeit der Reife war, und verzweifelt versuchten, noch einmal den
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