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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Autoren: Carin Gerhardsen
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überhaupt. Würde sie sich jemals wieder sicher fühlen in einem Haus, in dem ein unbekannter Mörder einen fremden Mann umgebracht hatte? Na ja, die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas ein zweites Mal passieren würde, war sicherlich nicht besonders groß. Sie würde wohl versuchen müssen, einfach weiterzumachen, als ob nichts geschehen wäre. Schließlich war sie ja nicht im Geringsten in die Sache verwickelt, sie hatte nur Pech gehabt. Jeden Tag werden Menschen ermordet, in Schweden und vor allem in anderen Ländern. Darüber sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen, und an diesem Todesfall gab es eigentlich nichts Besonderes außer der Tatsache, dass er in ihrem eigenen Zuhause stattgefunden hatte. Also Zähne zusammenbeißen, vergessen und weitermachen.
    Es war ein gruseliges Gefühl, Arm in Arm durch die dichte Novemberdunkelheit den Kiesweg wieder hinaufzugehen. Der Kies knirschte unter den Sohlen. Die einzigen Lichtquellen waren eine Laterne am Wegesrand und die Außenbeleuchtung an der Eingangstür, die ein mattes gelbes Licht verbreitete. Die Temperatur hatte null Grad erreicht, und die herbstlichen Nordwinde ließen die nackten Kronen der Obstbäume ächzen und die beiden Frauen bibbern.

    Sobald sie die Tür geöffnet und die Nase in die warme Stube gesteckt hatte, bemerkte Schwester Margit den ekelerregenden Geruch. Auch Ingrid nahm ihn jetzt sofort wahr. Seltsam, dass er ihr vorhin nicht aufgefallen war. Ingrid schaltete das Licht an und blieb in der Türöffnung stehen, während Schwester Margit schnell aus ihren ungeschnürten Curlingschuhen schlüpfte und mit resoluten Schritten zur Küche hinüberging. Nachdem sie das Licht angeschaltet hatte, sah sie sich ein paar Sekunden um, bevor ihre Augen entdeckten, wonach sie gesucht hatten. Ohne zu zögern, eilte sie zu dem leblosen Körper auf dem Küchenboden. Routiniert suchten ihre Finger unter dem Hemdkragen nach der Halsschlagader, und sie konnte schnell konstatieren, was sie bereits gewusst hatte: Der Mann war tot. Sie stand auf und ging zum Telefon.
    *
    Hauptkommissar Conny Sjöberg lag auf dem Sofa und schaute das Kinderprogramm. Auf ihm saß ein überdrehter Einjähriger, der rauf und runter, rauf und runter hüpfte. Dabei versuchte er trotz ständiger mehr oder weniger strenger Ermahnungen, Papas Brille an sich zu reißen, deren Gläser mittlerweile aber ohnehin so verschmiert waren, dass man kaum noch durch sie hindurchschauen konnte. Ein weiterer einjähriger Marodeur stand am Zeitschriftenhalter und warf eine Illustrierte nach der anderen auf den Boden. Sjöberg stellte fest – zum wievielten Mal, wusste er selbst nicht –, dass sie dringend Zeitschriftenordner brauchten, und nahm sich vor, morgen ein paar zu kaufen. Auf dem Fußboden vor dem Fernseher kniete eine junge Dame von vier Jahren, vollständig gefangen genommen von dem Blödsinn, den ein Zebra, eine Giraffe, ein Affe und zwei kleine Teddys beim Aufräumen eines Kinderzimmers machten. Als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, blieb sie von dem kleinen Weltkrieg, den die Zwillinge verursachten, völlig unberührt. Ihr einziges Interesse galt dem Fernsehprogramm, das allein für sie gemacht zu sein schien.
    Conny Sjöbergs Frau Åsa stand in der Küche und beseitigte die Spuren des Abendessens. Dabei wurde sie von ihrer ununterbrochen plappernden sechsjährigen Tochter unterstützt, die für ihr Leben gern spülte. Conny konnte ihre helle Stimme durch den Lärm des Fernsehers und das aufgekratzte Geschrei der wilden Kleinen hindurch hören. Hätte Simon, der älteste Sohn, acht Jahre, nach der Schule nicht einen Klassenkameraden aus der Nachbarschaft nach Hause begleitet, wäre die Familie vollzählig gewesen.
    Die Wohnung der Familie Sjöberg war ein Wunder an Ordentlichkeit, insbesondere wenn man bedachte, wie viele Menschen dort lebten. Das war die unbedingte Voraussetzung für das Wohlbefinden des Familienvaters, und er selbst sorgte dafür, dass es so blieb. Wenn alle Kinder am Nachmittag zu Hause eingetroffen waren, gespielt, gebadet und zu Abend gegessen hatten, konnte die Wohnung für das uneingeweihte Auge chaotisch wirken. Aber um neun Uhr, wenn alle Kinder im Bett waren, gab es in derselben Wohnung keinerlei Anzeichen mehr dafür, dass dort irgendeine Art von Aktivität stattgefunden hatte.
    Morgens verhielt es sich ebenso. Obwohl dort sieben Personen ein paar Stunden lang wie aufgescheuchte Hühner herumgesprungen waren, waren keinerlei Spuren mehr zu
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