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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Autoren: Carin Gerhardsen
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aus der Handtasche gezogen hatte. Vorsichtig steckte sie den Schlüssel ins Schloss, das mit einem Klicken nachgab, worauf sich die Tür wie von selbst öffnete.
    »Soll ich Ihnen ins Haus helfen?«, fragte der Mann freundlich.
    »Nein, nicht nötig. Jetzt komme ich allein zurecht. Haben Sie vielen Dank«, sagte sie und hob die Hand zu einem Abschiedsgruß.
    »Passen Sie gut auf sich auf, und erholen Sie sich gut!«, sagte der Fahrer und winkte zurück, während er rückwärts die Treppe hinunterging, um sicherzugehen, dass sie es wirklich allein ins Haus schaffte.
    Nachdem sie die Deckenlampe eingeschaltet hatte, trat sich Ingrid die Schuhe auf der Fußmatte ab, stellte die Krücke in die Ecke hinter der Tür und ging zur Garderobe hinüber. Während sie sich mühsam den Mantel auszog, balancierte sie auf dem gesunden Bein. Ihre Hand griff nach einem der roten, samtbezogenen Kleiderbügel mit goldenen Fransen, auf den sie ihren Mantel hängte. Dann ging sie ein paar Schritte zu dem kleinen Hocker, um sich darauf niederzulassen. Hier zog sie die gefütterten Stiefel aus und stellte sie exakt unter dem Kleiderbügel ab. In ihrem Koffer befanden sich die orthopädischen Hausschuhe, die sie herausholte und anzog. Indem sie sich an der Wand abstützte, gelang es ihr, wieder aufzustehen.
    Auf die Krücke gestützt, humpelte sie durch die Diele, warf einen kurzen, unzufriedenen Blick auf sich selbst im Garderobenspiegel und setzte ihren Weg zur Küche fort. Vor der Schwelle hielt sie inne und beugte sich vor, um den Lichtschalter auf der anderen Seite des Türrahmens erreichen zu können.
    Sie hielt mitten in der Bewegung inne, weil sie fand, dass es fremdartig roch. Die alten, gewohnten Gerüche gab es zwar immer noch, aber durch all dieses Altvertraute drängte etwas Unbekanntes in ihre Nasenlöcher. Es roch nach Leder. Leder und … Exkrementen? Sie schaltete das Licht an.
    Zuerst stockte ihr der Atem. Wie versteinert stand sie da, ohne zu verstehen, was sie dort vor sich sah. Nach einigen Sekunden gelang es ihrem Gehirn, das Bild des toten Mannes auf ihrem Küchenboden zu verarbeiten. Sofort begann sie zu hyperventilieren, stolperte zu einem der Stühle am Esstisch und ließ sich darauffallen. Sie konnte ihre Augen nicht von der blutigen Masse losreißen, die einmal ein Gesicht gewesen war. Und so blieb sie eine lange Zeit sitzen, ohne an etwas anderes zu denken als daran, einzuatmen, auszuatmen, einzuatmen, auszuatmen, ruhig und regelmäßig. Es dauerte einige Minuten, bis ihre Atmung sich normalisiert hatte. Dann bemerkte sie erleichtert, dass ansonsten alles noch seine Ordnung hatte. Auf der Arbeitsplatte war nichts angerührt worden, und alle sechs Küchenstühle standen ordentlich um den runden Esstisch herum. Keine Spur eines Handgemenges oder sonstiger dramatischer Szenen, einfach nur ein zerschmetterter Mensch auf dem Fußboden. Ein toter Mann. Großer Gott, wer könnte das bloß sein? Und warum um alles in der Welt lag er hier auf ihrem Küchenboden?
    Mühsam erhob sie sich und schleppte sich zu ihrem Telefon, das in der Diele an der Wand befestigt war. Sie nahm den Hörer ab und dachte einen Augenblick nach, bevor sie die Nummer der Taxizentrale wählte. Nachdem sie einen Wagen bestellt hatte, der nach Aussage der Zentrale in zehn bis zwölf Minuten eintreffen würde, machte sie alles wieder rückgängig, was sie zuvor getan hatte: Hausschuhe ausziehen und zurück in den Koffer, Reißverschluss zu, Stiefel an, aufgestanden und rein in den Mantel, Licht aus und raus und abgeschlossen. Anschließend ging sie mit der Handtasche über der Schulter, dem Koffer in der einen und der Krücke in der anderen Hand den Weg wieder hinunter und stellte sich am Straßenrand in Position, um auf das Taxi zu warten.

    »Um Gottes willen, Ingrid!«, rief Schwester Margit überrascht. »Ich dachte, du hast dich darauf gefreut, endlich wieder nach Hause zu kommen!«
    Margit Olofsson war eine Frau im besten Alter, stattlich gebaut und mit einem großen, dunkelroten Haarschopf. Sie gehörte zu der Sorte Mensch, die Mütterlichkeit und Fürsorglichkeit ausstrahlten.
    »Schwester Margit, es ist etwas Schreckliches …«
    »Aber, Ingrid, meine Liebe, setz dich doch, du siehst ja ganz mitgenommen aus! Ist etwas passiert? Geht es dir nicht gut?«
    Margit Olofsson nahm die ältere Frau am Arm und führte sie zu einem der Sessel in der Aufnahmestation. Unter ihrem weißen Kittel schauten ein paar ausgewaschene Jeanshosen hervor.
    »Ich
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