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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W.
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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zum Tode gegenseitig Schutz gegeben.
    Modi und Magni lagen ein Stück weiter. Dem einen war der Kopf durch einen Axthieb beinahe abgetrennt worden. Der andere war noch bis in eine Nische gekrochen und hatte sich dort zum Sterben hingelegt, die Hände vor dem gekrümmten Leib verkrampft.

    Gunhild würgte, und auch Siggi konnte es gerade noch verhindern, sich zu übergeben. Blut lag in der Luft und machte das Atmen beinahe schwerer als die Hitze Muspelheims. Es stank höllisch; der Geruch von Tod und Vernichtung war fast mehr, als die Kinder ertragen konnten, aber sie hatten viel erlebt, und Freya schien ihnen eine Hilfe zu sein. Über einen Teil ihres Bewusstsein senkte sich ein Schleier, der die schlimmsten Einzelheiten vor ihrem Auge verbarg. Aber was übrig blieb, war schlimm genug.
    Mehr kann ich nicht für euch tun, der Zauber schwindet dahin, vernahm Gunhild wieder die Stimme Freyas.
    Dann standen sie an einem der Tore zu dem gigantischen Kampfplatz. Siggi erkannte den Ort wieder. Es war – wie hatte Laurion ihn noch genannt – Alberichs Dom, wo Siggi auf der Flucht vor den Schwarzalben entdeckt hatte, dass ihn der Ring unsichtbar zu machen vermochte.
    Ein Blick auf das Schlachtfeld ließ sie erschauern. Längst hatten die Heere ihre Reihen und Aufstellungen aufgegeben. Es tobte nur noch der Kampf Mann gegen Mann.
    Überall im Dom lagen Tote und Todgeweihte. Diesen Kampf würde keiner überstehen.
    »Also gut. Wir müssen da durch. Dann kommt«, sagte Siggi,
    »Fasst mich an der Schulter, und lasst auf keinen Fall los.«
    Als er die Hände der beiden auf den Schultern spürte, griff er in den Lederbeutel und zog den Ring hervor. Noch einmal betrachtete er kurz den schmucklosen Goldreif und streifte ihn über. Dann ging er los.
    Siggi bemühte sich, den Leibern der Toten auszuweichen, aber es gab so viele davon, viel zu viele. Sie hatten etwa hundert Meter in Luftlinie zurückzulegen, aber in Wahrheit war es eine größere Strecke; denn durch die Toten gingen sie im Zickzack. Ihre Aufmerk-samkeit galt jedoch mehr den Lebenden, die wie besessen aufeinander eindrangen. Sie waren voll und ganz vom Geiste Ragnaröks er-füllt. Und selbst wenn es ihnen nicht bewusst war, dass die Stunde des Weltuntergangs gekommen war, so machte das keinen Unterschied. Sie stürmten aufeinander ein, als gäbe es für sie kein Morgen mehr.
    Siggi mühte sich redlich, den ihm von Gunhild gewiesenen Ausgang zu erreichen, aber ihr Vorankommen war so unendlich langsam.
    Kurz blieben sie stehen, weil Siggi sich erst wieder einen Weg suchen musste, als unter ihnen der Fels zitterte. Die Kinder erstarrten.
    Würde der Dom jetzt einbrechen, würde alles hier zusammenstürzen.
    Von überall her drang ein Grollen durch die Gänge, das den Boden erbeben ließ. Heiße Luft strömte in den Dom hinein.
    »Was ist das?«, fragte Hagen.
    Doch er erhielt keine Antwort. Es ging alles viel zu schnell.
    Plötzlich leuchtete flackernder Feuerschein aus den Gängen. Die Kämpfer erstarrten in ihren Bewegungen. Die Augen aller, ob Licht-oder Schwarzalben, richteten sich auf die Gänge. Ein Fauchen kam von überallher zugleich und steigerte sich in Sekundenschnelle ins Unerträgliche. Dann schossen von allen Seiten Feuerlanzen aus den Gängen hervor, die sich im Dom zu einer meterhohen riesigen Wand vereinigten.
    Mache von den Alben machten noch den Versuch zu fliehen, andere blieben einfach erstarrt stehen, wo sie waren. Es machte keinen Unterschied mehr.
    Sie alle, Freund wie Feind, wurden von der Feuerwalze überrollt, die nun auch auf die Kinder zuraste.
    Unfähig, auch nur einen Finger zu krümmen, standen Siggi, Gunhild und Hagen da und erwarteten das Ende.
    Immer näher rollte die alles verschlingende Lohe. Die Schreckens-schreie der Lios- und der Swart-alfar gingen in dem Brodeln und Fauchen des Feuers unter.

    Ragnaröks letztes Kapitel brach an, und Siggi dachte immer nur daran, dass sie zu langsam gewesen waren. Nun würden sie nie wieder die Sonne sehen.
    Dann wurde die Hitze unerträglich, und die Flammenwand war nur noch wenige Meter von ihnen entfernt.
    Alle drei schlossen in Erwartung des sicheren Todes die Augen …
    … und öffneten sie wieder. Der Feuersturm war über sie hinwegge-rast, ohne ihnen etwas anzuhaben.
    Erleichtertes Lachen löste sich aus den Kehlen der Kinder, die ihr Glück nicht fassen konnten. Sie lagen sich in den Armen, lachten und weinten gleichzeitig Tränen der Freude. Die Feuer Muspelheims waren wieder in die
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