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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)
Autoren: Pascal Mercier
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hatte Angelini etwas von seinem Russisch gesagt? Evelyn Mistral hatte dichtgehalten, da war er eigentlich sicher. Es mußte Leskov gewesen sein, und zwar beim Abendessen nach seiner Ankunft, als Angelini dabei war. Er hatte davon erzählt, wie sie sich kennengelernt hatten, wie sie zusammen durch die Eremitage gegangen waren... Aber warum hatte Adrian von Levetzov dann so irritiert reagiert, als Leskov im Cafe davon sprach, wie er Perlmann die erste Fassung geschickt hatte? Es mußte so gewesen sein, daß Leskov es beim Abendessen nur Angelini erzählt hatte, der neben ihm saß... Perlmann schlug sich mit den Knöcheln gegen die Stirn. Er hatte doch aufhören wollen, die anderen auszurechnen.
    Er hatte den Brief gerade zur Seite gelegt, da rief Frau Hartwig an und gab ihm eine Botschaft durch, die Brian Millar mit der elektronischen Post geschickt hatte. Sein Verleger sei an Perlmanns Buch außerordentlich interessiert. Ob er einen Termin nennen könne? Er vermisse Italien, hatte Millar hinzugefügt, und:«Wie geht es Ihrem Chopin?»
    Ob er noch dran sei, fragte Frau Hartwig nach einer langen Pause.
    Mit dem Buch werde es noch dauern, ließ Perlmann sie schreiben, und danke für die Mühe. Und zum Schluß:«Wie geht es Ihrem Bach?»
    «Von dem Buch wußte ich ja gar nichts», sagte Frau Hartwig pikiert.
    «Später», erwiderte er.
    Die Sonne schien, und es taute, als er am Fluß entlangging. Aber er nahm nicht viel wahr. Er war ganz damit beschäftigt, Briefe auszuprobieren, mit denen er den kürzlich erhaltenen Preis zurückgeben könnte. Schließlich hatte er einen Text im richtigen Ton. Doch als er ihn, noch in den durchnäßten Schuhen, am Schreibtisch niedergeschrieben hatte, fand er ihn melodramatisch und warf ihn weg.
    In der Nacht bekam er wieder Herzbeschwerden und war kurz davor, den Arzt zu rufen. Frühmorgens ging er zu ihm in die Praxis. Der Arzt, den er seit vielen Jahren kannte, sagte nicht viel und machte lange Pausen, die Perlmann unangenehm waren. Schließlich verschrieb er ihm zögernd neue Schlaftabletten und verbot ihm das Rauchen.
    Auf dem Heimweg ging Perlmann bei der vertrauten Buchhandlung vorbei. Er hätte gerne mehr über Meditation gewußt, die Technik, zu innerer Ruhe zu gelangen. Lange stand er vor dem Regal mit den entsprechenden Büchern. Aber in jedem Abschnitt, den er las, gab es etwas, was ihn abstieß, etwas Sektiererisches, Missionarisches, ein Pathos, das er nicht mochte. Er kaufte nichts.
    Freitag. Heute mußte Leskov seinen Text einreichen. Und immer noch kein Brief. Natürlich: Er hatte Tag und Nacht arbeiten müssen, da war keine Zeit für einen Brief geblieben. Dazu kam er wahrscheinlich erst am Wochenende. Das bedeutete eine weitere Woche des Wartens. Aber eigentlich war das ja ein gutes Zeichen: Es bewies, daß der Text angekommen war. Andernfalls hätte Leskov beliebig viel Zeit für einen Brief gehabt. Es sei denn, es ging ihm so schlecht, daß daran nicht zu denken war.
    Zu der Stunde, zu der sie jeweils von der Mittagspause zurückgekommen war, rief er Maria an. Es klang spontan und aufrichtig, als sie sagte, wie sehr sie sich freue, von ihm zu hören. Trotzdem wurde das Gespräch mühsam. Die zwei Wochen hatten genügt, um alles weit in die Vergangenheit zu rücken, und jeder Satz klang wie ein krampfhaftes Aufwärmen von Überholtem. Die Frage, ob sie seine Dateien inzwischen gelöscht habe, hatte er gut vorbereiten wollen; sie sollte sich ganz beiläufig anhören, wie ein Scherz in einem ausklingenden Flirt. Als er sie jetzt stellte, klang sie völlig unmotiviert. Sie habe neulich aufgeräumt, sagte Maria; aber ob seine Dateien beim Gelöschten gewesen seien, daran erinnere sie sich im Moment nicht. Ob sie schnell nachsehen solle?
    «Nein, nein», wehrte er ab und bemühte sich, es leicht und spielerisch klingen zu lassen.«Es spielt doch überhaupt keine Rolle! »
    «Auch wenn sie nicht mehr im Computer sind: Ich erinnere mich noch gut an die Texte! »sagte Maria lachend.
    Es würde unmöglich sein, sie ein zweites Mal anzurufen, dachte er beim Auflegen.
    Am Samstag war die Abrechnung für seine Kreditkarte in der Post. Abgebucht wurden unter anderem die Beträge für den Mietwagen, einschließlich der Selbstbeteiligung an der Reparatur, und für die beiden Wörterbücher aus der Buchhandlung in Genua. Perlmann hatte an diesem Tag mit dem Buch beginnen wollen, das man ihm zur Besprechung angeboten hatte. Jetzt saß er nur herum und probierte im Fernsehen immer von
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