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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
Autoren: Jan Beinßen
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aus.«
    »Wie das?«, horchte Paul auf. Inzwischen hatte er wider Erwarten eine leidlich frische Zitrone gefunden und machte sich daran, Katinka und sich einen Drink zu mischen.
    Katinka strich sich eine blonde Strähne hinters Ohr. »Wir haben einen Toten, jede Menge Unordnung, sogar ein zerbrochenes Fenster, aber keinerlei verdächtige Fingerabdrücke.«
    »Schon mal etwas von Handschuhen gehört?«, ärgerte Paul sie und servierte die Getränke.
    Katinka verzog den Mund. »Das ist es nicht allein«, sagte sie geheimnistuerisch. »Weißt du: Wo es ein geborstenes Fenster gibt, gibt es normalerweise auch Fußspuren im Bereich rund um das Fenster. Im Garten zum Beispiel.«
    »Ja«, sagte Paul. »Man gießt dann Gips in die Abdrücke, und schon hat man die verräterische Sohle des Täters.«
    »Genau«, bestätigte Katinka. »Man kann es aber auch zeitgemäßer ausdrücken. Wir sind zum Beispiel in der Lage, die triboelektronische Aufladung des Untergrundes durch das Gehen zu rekonstruieren und dadurch auf die latenten Muster eines bestimmten Fußabdrucks zu schließen. Auch die interferenzholografische Abbildung eines Fußabdrucks ist verräterisch«, sagte sie zu Pauls Erstaunen. »Und notfalls können wir jede Oberfläche mit Infrarotlicht nach frischen Spuren scannen«, setzte sie fort.
    »Lass mich raten«, sagte Paul schließlich. »Ihr habt trotz High Tech nichts Verräterisches feststellen können.«
    Katinka nahm sich die Zeit, die Zitronenlimonade in einem Zug auszutrinken. »Weißt du, es gibt jährlich über 50.000 Einbrüche und in 75 Prozent der Fälle hinterlassen die Täter verwertbare Fußabdrücke. Aber hier«, sagte sie niedergeschlagen, »gibt es nichts. Rein gar nichts außer den Hinterlassenschaften der Familie selbst, denen der Angestellten, unserer Polizeibeamten, eines trampeligen Zeitungsfotografen und ein paar weiteren harmlosen Spuren; der Größe nach zu urteilen wohl die einer Putzfrau. Aber der Täter, den unser Gerichtsmediziner aufgrund der Wucht des Schlages für einen stattlichen Mann hält, scheint eingeschwebt zu sein.«
    »Wie Tom Cruise in dem Film Mission Impossible vielleicht?«, fragte Paul, um Katinka aufzumuntern.
    Katinka gelang ein schiefes Lächeln. »Da trennen sich wohl die Wege zwischen der nüchternen Ermittlerin und dem von seiner Phantasie gesteuerten Künstler.« Sie machte Anstalten, sich von ihm zu verabschieden. »Ich muss mich jetzt wirklich um mein Auto kümmern«, sagte sie ausweichend, als Paul ihr seine weitere Hilfe in dieser Angelegenheit anbot. »Der Abschleppdienst ist sicher schon da«, beeilte sie sich festzustellen. »Danke nochmals, mein Lebensretter.«

8
    Über sein Fensterbrett gebeugt wartete Paul so lange, bis Katinkas Wagen am Abschlepphaken hing. Er winkte ihr noch einmal zu, bevor sie in ein Taxi stieg und abfuhr. Die Sonne knallte vom stahlblauen Himmel herunter und ließ die Luft über dem Kopfsteinpflaster des Weinmarktes flimmern. Paul betrachtete versonnen sein Revier. Seine Blicke schweiften über die teils zweckmäßig schlichten, teils historisch verwinkelten Hausfassaden. Er sah hinüber zum prächtig restaurierten ehemaligen Irrerbad. Dann zum etwas in den Hintergrund versetzten Laden des Metzgers, zum – wie ein Farbklecks wirkenden – Stand seiner Gemüsefrau, gefolgt vom Antiquitätenhändler und natürlich von Jan-Patricks formidablem Lokal, dem Goldenen Ritter.
    Gerade als er das schmale Fachwerkhaus mit der blau gestrichenen, schmiedeeisernen Eingangspartie betrachtete, öffnete sich die Tür und Jan-Patrick trat in die Nachmittagssonne heraus. Paul nahm seine Kamera zur Hand und holte die Szene mit dem Teleobjektiv näher zu sich heran: Er beobachtete, wie Jan-Patrick ein Handy aus seiner Tasche zog und eine Nummer eintippte.
    Als wenig später Pauls Telefon klingelte, musste er kein Hellseher sein, um zu wissen, wer am Apparat war.
    »Ich habe die Sache für dich eingefädelt«, meldete sich der Koch wie immer mit breitem fränkischem Dialekt.
    »Und ich habe dich genau im Fokus«, sagte Paul und betätigte den Auslöser, sobald Jan-Patrick zu ihm aufsah.
    »Sehr witzig«, sagte der Küchenmeister und strich sich schnell die schwarzen, öligen Haare zurecht. »So möchte ich mich aber nicht in der Zeitung sehen.«
    »Keine Sorge«, lachte Paul. »So würde dich auch niemand drucken!«
    »Ich habe mit Wiesinger telefoniert.«
    »Was?«, fragte Paul ungläubig. »Ich dachte, du würdest zumindest eine gewisse Zeit damit
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