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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere
Autoren: Kurt Tucholsky
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er parteimäßig nicht »richtig« … Ich halte die Versuche, die zum Beispiel neulich Witfogel wieder aufgenommen hat: aus dem Klassenkampf eine neue Ästhetik zu kochen, für gründlich verfehlt. So wird das nie etwas. Immer wird in großen Kunstwerken jenes unbekannte X zittern, das sich in kein Schema bringen läßt. Was Witfogel mit viel Kenntnis und Wissen versucht hat, mußte zu dem gewünschten Resultat führen, weil das vorher für ihn feststand. Denn es gibt eine kommunistische Theologie, die so unleidlich zu werden beginnt, wie die der katholischen Theologen: Mißbrauch des Verstandes, um einen Glauben zu rechtfertigen. Diese neue Theologie hat bereits ihren eignen Jargon, und es sollte ein Gesetz erlassen werden, das bis auf weiteres den Gebrauch des so schön vieldeutigen Wortes »dialektisch« verbietet. Meilenweit ist Traven von diesem Unfug entfernt.
    Aber auch er ist ein Opfer seiner Klasse. Dieser Proletarier kann nämlich nicht richtig Deutsch. Ich hielt seine Werke zunächst für übersetzt, und zwar für schlecht übersetzt. Es ist aber Unkenntnis, verbunden mit bösen Amerikanismen. Er sagt: »Ein Haus ausmöblieren«. Er sagt: »Bei Telephon fragen«. Er spricht, was immerhin noch komisch klingt, von einem »Brumm-Redakteur« und meint einen Sitz-Redakteur. Er erzählt von Aktien, die »unsicher« wurden. Er schreibt: »Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Weder er.« Er schreibt: »In solcher Umgebung lebend, nur solche Farmer kennend, wie konnte man erwarten, dass Mr. Collins die Weiße Rose verstand.« Das Partizipium bezieht sich auf »man«, es soll sich aber auf Collins beziehen. Und so fort. Manchmal ist diese Unkenntnis ganz lustig – so bildet er das Wort »Genetz« –, aber meist ist sie störend. Sogar im englischen Text ist ein Fehler (disturp). Es ist tief bedauerlich, dass der Mann diesen Klecks nicht ausradiert oder ausradieren läßt. Ein Fleck auf der Sonne. Im ganzen und dennoch: Ein großer Epiker. Sicherlich kein sehr angenehmer Herr, sicherlich kein sehr glücklicher Mensch. Aber ein großer Epiker.
    Die Bücher sind in einer Buchgemeinschaft erschienen, also durch den Buchhandel nicht zu beziehen – daher meine ausführlichen Zitate. Nur »Das Totenschiff« ist jetzt bei der Universitas, Deutschen Verlags-Aktiengesellschaft in Berlin, herausgekommen. Der Verlag läßt es sich angelegen sein, seinen neuen Autor ebenso wohlmeinend wie klobig anzukündigen. Merkwürdig ist das … entweder tun unsre Verleger gar nichts für uns, oder sie verwandeln sich in wilde Marktschreier. Dieser hier ruft: »Traven! Der deutsche Jack London!« Der Kaufmann, dem diese Formel eingefallen ist, ist darauf gewiß sehr stolz; fühlt er nicht, wie er seinen Autor damit herabsetzt? Traven ist so wenig ein deutscher Jack London, wie Westerland das deutsche Biarritz ist oder Oberhof das deutsche Chamonix … deutscher Whisky. Traven ist Traven. Das ist sehr viel.
    Ich wünschte, dass alle seine Werke recht bald bei den Sortimentern zu haben wären.
    1930

Pariser Gelächter
    Neben der Todestraurigkeit der großen Pomp-Revuen, die mir so bekannt vorkommen, obgleich ich nicht weiß; was »Haller« auf französich heißt, gibt es die kleinen, und wenn sie von Rip sind, dann sind sie gut. Diese hier – im »Theatre du Palais Royal« – heißt »Das goldene Zeitalter« und ist sogar sehr gut, und sie ist wirklich durch und durch französisch und gar nicht für die Amerikaner gemacht. Die glücklichen Schauspieler waten knietief in Gelächter.
    Zunächst einmal hat Rip eine fulminante Technik: für die Couplets und für die Wirkungen des Theaters, das findet sich selten in derselben Hand. Seine Texte sind sauberste Handarbeit, auf Rand genäht, das sitzt und schließt und paßt wie angegossen. Es gibt Bilder; von »durchgehender Handlung« ist zum Glück keine Rede, aber diese Bilder sind durchweg gelungen, und drei mehr als das.
    Der König von Albanien kriegt eins auf den Reiherhelm, Literatenkrachs erstehen neu – glückliches Land, wo so etwas populär ist! Den Streit zwischen G[/e]mier und Bernstein hat man noch nicht vergessen, und wenn es gegen Kollegen geht, dann ist Rip frech wie ein Spatz; es erscheint der Komiker Dorville als Konkurrent des Eisernen Justav, dem er sogar ein sanft ironisches Lied widmet, einmal spielen sie die »Rückkehr zur Natur«, da zieht Rip einfach alle Leute aus, und auf einmal ist alles komisch: der nackte Negerboy, der die Tür öffnet, der nackte Herr des
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