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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma
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wie ein großer honigsaugender Vogel.
    Auf den Stufen zum Club stand, die Hände in den Taschen seiner Shorts, ein strohblonder Engländer mit stacheligem Schnurrbart, zu weit auseinanderstehenden hellgrauen Augen und im Verhältnis zu seinen Beinen abnorm dünnen Waden. Es war Mr. Westfield, der Polizeiinspektor des Distrikts. Mit sehr gelangweilter Miene schaukelte er auf den Fersen vor und zurück und schürzte die Oberlippe, so daß sein Schnurrbart ihn an der Nase kitzelte. Er grüßte Flory mit einer leichten Seitenbewegung des Kopfes. Er sprach knapp und soldatisch und ließ jedes Wort weg, das nicht unbedingt notwendig war. Fast alles, was er sagte, war als Scherz gemeint, aber sein Ton war dumpf und melancholisch.
    »Hallo Flory, alter Junge. Ganz fürchterlicher Morgen, was?« »Damit müssen wir in dieser Jahreszeit wohl rechnen«, sagte
    Flory. Er hatte sich ein bißchen zur Seite gewandt, so daß die Wange mit dem Muttermal von Westfield abgewandt war.
    »Ja, verdammt nochma l. Zwei Monate noch so weiter. Voriges Jahr bis Juni nicht einen Tropfen Regen. Sehen Sie den verfluchten Himmel an, kein Wölkchen. Wie so ein verdammt großer blauer Emailletopf. Mein Gott, was gäb man darum, jetzt in Piccadilly zu sein, heh?«
    »Sind die englischen Zeitungen gekommen?« »Ja. Der liebe alte Punch, Pink’un und Vie Parisienne. Kriegt
    man direkt Heimweh, wenn man sie liest, was? Kommen Sie rein, trinken wir was, eh das ganze Eis schmilzt. Der alte Lackersteen hat richtig darin gebadet. Schon halb blau.«
    Sie gingen hinein, und Westfield bemerkte in seinem düsteren Ton: »Geh voran, Macduff.« Die Clubräume hatten mit Teakholz getäfelte Wände, die nach Erdöl rochen; es waren nur vier Räume, von denen einer eine trostlose ›Bibliothek‹ von fünfhundert verschimmelten Romanen enthielt und ein anderer einen alten, schäbigen Billardtisch, der jedoch selten benutzt wurde, weil fast das ganze Jahr hindurch Scharen von geflügelten Insekten um die Lampen summten und sich auf dem Filzbezug niederließen. Außerdem gab es ein Spielzimmer und eine ›Lounge‹, aus der man über eine breite Veranda zum Fluß hinausblickte; aber zu dieser Tageszeit waren alle Veranden mit grünen Bambusstabjalousien verhängt. Die Lounge war ein ungemütlicher Raum, mit Kokosmatten auf dem Bode n und Korbsesseln und tischen, auf denen glänzende illustrierte Zeitschriften herumlagen. Als Ausschmückung gab es eine Anzahl ›Bonzo‹- Bilder und die verstaubten Sambarschädel. Ein träge fächernder Punkah schüttelte Staub in die lauwarme Luft.
    Drei Männer waren in diesem Raum. Unter dem Punkah räkelte sich ein blühender, gutaussehender, etwas gedunsener Mann von vierzig Jahren, den Kopf in die Hände gestützt, quer über den Tisch und stöhnte vor Schmerzen. Das war Mr. Lackersteen, der örtliche Geschäftsführer einer Holzfirma. Er war am Abend vorher schwer betrunken gewesen und litt nun darunter. Ellis, örtlicher Geschäftsführer einer anderen Firma, stand vor der Anschlagtafel und studierte mit bitter konzentrierter Miene eine Bekanntmachung. Er war ein kleiner, drahthaariger Mensch mit blassem, scharf geschnittenem Gesicht und unruhigen Bewegungen. Maxwell, der geschäftsführende Bezirks- Forstbeamte, lag in einem Liegestuhl, las im Field und war unsichtbar bis auf zwei grobknochige Beine und dicke, mit feinen Härchen bedeckte Unterarme.
    »Seht euch diesen ungezogenen alten Mann an«, sagte Westfield, Mr. Lackersteen halb zärtlich bei den Schultern packend und ihn schüttelnd. »Beispiel für die Jugend, was? Gut, daß es nicht uns erwischt hat, und so weiter. Man kann sich vorstellen, wie man mit vierzig sein wird.«
    Mr. Lackersteen gab ein Stöhnen von sich, das wie ›Brandy‹ klang.
    »Armer alter Kerl«, sagte Westfield; »ein richtiger Märtyrer des Alkohols, heh? Seht nur, wie er’s aus allen Poren ausschwitzt. Erinnert mic h an den alten Hauptmann, der immer ohne Moskitonetz schlief. Als sein Diener gefragt wurde, warum, antwortete der: ›Nachts Master zu betrunken, um Moskitos zu bemerken; morgens Moskitos zu betrunken, um Master zu bemerken.‹ Seht ihn euch an - nach der Sauferei gestern abend will er jetzt noch mehr. Dabei kommt eine kleine Nichte zu ihm zu Besuch. Soll heute abend kommen, nicht wahr, Lackersteen?«
    »Ach, laß diesen Saufkopp in Ruhe«, sagte Ellis, ohne sich umzudrehen. Er hatte einen gehässigen Cockney- Ton. M r. Lackersteen stöhnte wieder, »... die Nichte! Gebt mir um
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