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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma
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rannte, so verhaßt war ihr seine Gegenwart. Zwischen den Bäumen blieb sie stehen, um ihre Brille abzunehmen und die Spuren von Tränen von ihrem Gesicht zu entfernen. Oh, der Rohling, der Rohling! Er hatte ihre Handgelenke auf abscheuliche Weise verletzt. Oh, was für ein unbeschreiblicher Rohling er war! Wenn sie an sein Gesicht dachte, wie es in der Kirche ausgesehen hatte, gelb und glänzend mit dem gräßlichen Muttermal, wünschte sie, er wäre tot. Es war nicht, was er getan hatte, das sie mit Abscheu erfüllte. Er hätte tausend Gemeinheiten begehen können, und sie hätte ihm vergeben. Aber nicht nach jener schmachvollen erbärmlichen Szene und nach der teuflischen Häßlichkeit seines entstellten Gesichtes in jenem Augenblick. Es war am Ende das Muttermal, das ihn verdammte.
    Ihre Tante würde wütend darüber sein, daß sie Flory abgewiesen hatte. Und dann gab es ihren Onkel mit seiner Beinkneiferei zwischen den beiden würde das Leben hier unerträglich werden. Vielleicht mußte sie doch unverheiratet heimkehren. Schwarze Käfer! Einerlei. Alles - Altjüngferlichkeit, Plackerei, irgend etwas - nur nicht diese Alternative. Niemals, niemals würde sie sich einem Mann hingeben, der so in Ungnade gefallen war! Lieber sterben, viel lieber. Wenn sie im Geiste gewinnsüchtige Gedanken vor einer Stunde gehegt hatte, so hatte sie sie jetzt vergessen. Sie erinnerte sich nicht einmal daran, daß Verrall sie sitzengelassen hatte und daß sie ihr Gesicht gewahrt hätte, wenn sie Flory geheiratet hätte. Sie wußte nur, daß er entehrt und weniger als ein Mann war und daß sie ihn haßte, wie sie einen Aussätzigen oder einen Wahnsinnigen gehaßt hätte. Der Instinkt war stärker als der Verstand oder sogar das eigene Interesse, und sie konnte dem ebensowenig nicht gehorchen, wie sie hätte aufhören können zu atmen.
    Flory rannte nicht, als er den Hügel hinaufbog, ging aber so schnell, wie er konnte. Was e r zu tun hatte, mußte rasch erledigt werden. Es war schon sehr dunkel. Die elende Flo, die nicht einmal begriffen hatte, daß etwas Ernsthaftes los war, trabte ihm dicht auf den Fersen hinterher und winselte in einer selbstmitleidigen Art, um ihn wegen seines Fußtritts zu rügen. Als er den Weg hinaufschritt, blies ein Windstoß durch die Pisangbäume, wirbelte die abgerissenen Blätter auf und brachte einen Geruch von Feuchtigkeit. Es würde wieder regnen. Ko S’la hatte den Eßtisch gedeckt und war gerade dabei, einige fliegende Käfer zu entfernen, die an der Öllampe Selbstmord begangen hatten. Er hatte offensichtlich noch nicht von der Szene in der Kirche gehört.
    »Des Heiligen Abendessen ist fertig. Wird der Heilige jetzt speisen?«
    »Nein, noch nicht. Gib mir die Lampe.«
    Er nahm die Lampe, ging ins Schlafzimmer und schloß die Tür. Der abgestandene Geruch von Staub und Zigarettenrauch kam ihm entgegen, und in dem weißen, unbeständigen Glanz der Lampe konnte er die moderigen Bücher und die Eidechsen auf der Wand sehe n. Er war also wieder hier - bei diesem alten, geheimen Leben - nach allem, zurück, wo er vorher gewesen war.
    War es nicht möglich, es zu ertragen? Er hatte es vorher auch ertragen. Es gab Linderungsmittel - Bücher, sein Garten, Alkohol, Arbeit, Huren, Jagen, Gespräche mit dem Doktor.
    Nein, es war nicht länger erträglich. Seit Elizabeths Ankunft war die Kraft, zu leiden und vor allem zu hoffen, die er in sich tot geglaubt hatte, zu neuem Leben erwacht. Die halbbequeme Lethargie von vorher war gebrochen. Und wenn er jetzt litt, dann erwartete ihn noch viel Schlimmeres. Bald würde jemand anders sie heiraten. Wie er es sich vorstellen konnte - den Augenblick, wo er die Nachricht hörte! - »Haben Sie gehört, daß die kleine Lackersteen endlich Feuer gefangen hat? Armer alter Soundso - wird zum Altar getrieben, Gott steh ihm bei«, usw. usw. Und die beiläufige Frage - »Ach, wirklich? Wann soll’s denn sein?« - mit starrem Gesicht, so als sei man gleichgültig. Und dann würde ihr Hochzeitstag herannahen, ihre Hochzeitsnacht - ach, nein, das nicht! Obszön, obszön. Behalte das im Auge. Obszön. Er zerrte seinen Uniform- Koffer aus Blech unter dem Bett hervor, nahm seine Selbstlade- Pistole heraus, schob einen Ladestreifen Patronen in das Magazin, und zog eine in den Verschluß .
    Ko S’la wurde in seinem Testament bedacht. Blieb noch Flo. Er legte seine Pistole auf den Tisch und ging hinaus. Flo spielte mit Ba Shin, Ko S’las jüngstem Sohn, im Schütze des
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