Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ordnungszahl 120

Ordnungszahl 120

Titel: Ordnungszahl 120
Autoren: K. H. Scheer
Vom Netzwerk:
er dem an­de­ren Ein­gang zu­ge­wen­det. Ich ha­be das fo­to­gra­fisch fest­hal­ten las­sen.«
    Ich zwang mich zur Ru­he und über­leg­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke. Ein Ge­dan­ke be­schäf­tig­te mich be­son­ders:
    »Was soll das nun wie­der be­deu­ten, Sir?« frag­te Ur­ban ver­ständ­nis­los, als ich oh­ne Er­klä­rung da­v­on­stürz­te.
    Ich rann­te auf die Schie­be­tür zu, an der der Na­me des Chef­phy­si­kers stand. Rück­sichts­los riß ich sie auf. Ich eil­te durch ein klei­nes Vor­zim­mer, in dem nor­ma­ler­wei­se ein As­sis­tent saß. Ur­ban und Han­ni­bal folg­ten mir. Hin­ter uns ka­men ei­ni­ge Män­ner vom Si­cher­heits­dienst.
    Ich riß die zwei­te Tür auf. Dort er­blick­te ich einen weiß­haa­ri­gen Mann, der see­len­ru­hig vor ei­ner elek­tro­ni­schen Re­chen­ma­schi­ne stand. An­schei­nend war er so in ein Pro­blem ver­tieft, daß er un­se­ren ge­räusch­vol­len Ein­tritt über­haupt nicht be­merkt hat­te. Er wand­te nicht ein­mal den Kopf, als Han­ni­bal laut sag­te: »Ich be­gin­ne zu ver­ste­hen, Lan­ger! Er hat ge­nau die Kör­per­grö­ße und die Fi­gur des Er­mor­de­ten.«
    »Wol­len Sie da­mit aus­drücken, daß die Schüs­se ei­gent­lich Pro­fes­sor Hol­wyn ge­gol­ten hät­ten?« frag­te Ur­ban er­regt und lei­chen­blaß.
    »Ge­nau das den­ke ich«, er­wi­der­te ich un­wirsch. Dann rüt­tel­te ich Hol­wyn an der Schul­ter.
    Der Ge­lehr­te zuck­te zu­sam­men. Sein Kopf fuhr her­um. Ei­ne Se­kun­de lang starr­te er mich geis­tes­ab­we­send an; dann traf mich ein Blick, den ich nie im Le­ben ver­ges­sen wer­de.
    Un­ser Meis­ter­phy­si­ker schi­en ver­är­gert zu sein, daß wir es ge­wagt hat­ten, ihn in sei­nen Grü­belei­en zu stö­ren.
    »Was fällt Ih­nen ein?« schrie er mich an. »Hin­aus, so­fort hin­aus! Was su­chen Sie hier über­haupt! Wie kön­nen Sie es wa­gen, mich zu stö­ren? Hin­aus, aber schnell! Ich ha­be kei­ne Zeit, dum­me Fra­gen zu be­ant­wor­ten.« Sein Ge­sicht hat­te sich vor Zorn ge­rötet.
    Ur­ban blick­te see­len­ru­hig zur De­cke. Er schi­en den cho­le­ri­schen Wis­sen­schaft­ler zu ken­nen.
    Im nächs­ten Au­gen­blick schlug mir der em­pör­te Ge­lehr­te ge­gen die Brust und schrie noch lau­ter:
    »Ver­las­sen Sie so­fort mein Stu­dier­zim­mer, Sie un­ge­be­te­ner Ein­dring­ling! Was wol­len Sie hier?«
    Ich ver­such­te Ru­he zu be­wah­ren und sag­te be­sänf­ti­gend: »Hö­ren Sie Pro­fes­sor, wir …«
    Ich kam je­doch nicht da­zu, mei­nen Satz zu vollen­den. Zit­ternd vor Wut sah sich Hol­wyn nach ei­nem werf­ba­ren Ge­gen­stand um.
    Die Män­ner des Si­cher­heits­diens­tes zo­gen sich flucht­ar­tig zu­rück.
    Han­ni­bal schi­en sich köst­lich zu amü­sie­ren.
    Der ehr­wür­di­ge Wis­sen­schaft­ler at­ta­ckier­te mich mit Aus­drücken, daß ich nur noch stau­nen konn­te. Es war ein Pro­blem, mit dem er­zürn­ten Mann fer­tig zu wer­den.
    Er fand sei­ne Selbst­be­herr­schung erst wie­der, als ich ihm ins Ohr brüll­te:
    »Ihr Kol­le­ge, Pro­fes­sor Ku­nings, ist er­mor­det wor­den I Ver­ste­hen Sie doch, er ist er­schos­sen wor­den.«
    Und da be­wies er, daß er auch au­ßer­halb sei­ner For­meln den­ken konn­te.
    »Was sa­gen Sie?« frag­te er stirn­run­zelnd. »Wer ist er­mor­det wor­den? Ha­be ich Sie rich­tig ver­stan­den?«
    »Ge­nau, Pro­fes­sor«, sag­te ich er­schöpft. »Pro­fes­sor Ku­nings ist tot. Er trug Ih­ren Strahl­schutz­an­zug.«
    »So – so«, mein­te er ge­dan­ken­ver­lo­ren. »Aber warum denn, mein Herr? Ach ja, er hat mich ge­fragt, ob er mei­nen An­zug be­nut­zen dürf­te«, be­sann sich Hol­wyn plötz­lich. Die Er­in­ne­rung an die­sen lä­cher­li­chen, ganz all­täg­li­chen Vor­fall schi­en ihm schwer­zu­fal­len. Der Mann leb­te tat­säch­lich in ei­ner an­de­ren Welt. Nun glaub­te ich Ur­bans Wor­ten, wo­nach Hol­wyn die Ver­geß­lich­keit in Per­son wä­re.
    »Sein Blei­glas war näm­lich zer­trüm­mert, wis­sen Sie«, nick­te er ver­bind­lich.
    »Pro­fes­sor, nun ver­ste­hen Sie doch«, bat ich fast fle­hent­lich. »Ihr Kol­le­ge ist tot! Tot – er­schos­sen!«
    Plötz­lich wur­de dem ge­nia­len Wis­sen­schaft­ler die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher