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Ophran 3 Die entflohene Braut

Titel: Ophran 3 Die entflohene Braut
Autoren: Karyn Monk
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alte Whitcliffe seit Jahren darum kämpfte, seinen baufälligen Familienstammsitz in Stand zu halten. Dank der Mitgift seiner züchtigen Braut würde Seine Hoheit heute ein beträchtliches Vermögen einstreichen. Was die schwitzenden Gäste in der Kirche bald zu sehen bekämen, war ein reiner Geschäftsakt, bei dem Miss Belford das zweifelhafte Prestige eines alten Adelstitels erwarb und Whitcliffe Reichtümer, von denen er sonst nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
    Jack zog eine silberne Taschenflasche aus seinem Cutaway und nahm einen Schluck Whisky. Es war ihm gleich, wie viele verwöhnte amerikanische Erbinnen beschlossen, den Großen Teich zu überqueren und sich einen fettleibigen, verarmten Aristokraten mit gelblichen Zähnen und schütterem Haar zu angeln. Alles, was er wollte, war, dass sie endlich zu ihrer eigenen vermaledeiten Hochzeit auftauchten, bevor er an Langeweile und Luftmangel zu Grunde ging.
    „Lieber Gott“, flüsterte plötzlich eine zarte Stimme irgendwo über seinem Kopf, „lass mich bitte nicht sterben! “
    Er blickte erstaunt auf und entdeckte ein schlankes, elfenbeinfarben bestrumpftes Bein, das sich über die graue Steinbrüstung des Balkons geschwungen hatte, der an der Kir-chenmauer entlanglief. Eine weiße Wolke aus Stoff folgte, die aus einer solchen Unmenge von Unterröcken, Röcken und Spitze bestand, dass ihre Trägerin gänzlich darin verschwand. Das wohlgeformte Bein suchte mit der Spitze seines zierlichen Schuhs verzweifelt Halt in dem holzigen wilden Wein, der die graue Steinmauer wie ein dichtes grünes Gitter überwucherte. Nachdem ein Ast gefunden war, der belastbar genug schien, prüfte der zierliche Fuß dessen Tragfähigkeit, wobei sich die behelfsmäßige Leitersprosse gefährlich bog. Dann schwang sich das zweite Bein über die Balkonbrüstung, und eine Wolke aus Stoff und Spitze machte sich daran, mühsam am Blattspalier hinabzuklettern.
    Plötzlich gab das Astwerk nach. Das bauschige Etwas stieß einen spitzen Angstschrei aus und stürzte in das Gesträuch unter dem Balkon. Mit klopfendem Herzen lief Jack zu dem Gewirr aus Weinreben und weißer Spitze, überzeugt davon, das törichte Mädchen habe sich den Hals gebrochen.
    „Himmel! “ rief sie aus und klang dabei eher atemlos als verletzt. „War das ein Sturz! “ Ihr Kopf tauchte auf, und sie begann, sich flink aus dem zerdrückten Buschwerk zu befreien.
    Erleichtert darüber, dass sie nicht schwer verletzt war, und neugierig darauf, was sie als Nächstes tun würde, trat Jack leise hinter einen Baum, um sie zu beobachten.
    Als es ihr nicht gelang, sich aus ihrem extravaganten Hochzeitskleid zu befreien, zerrte sie erbarmungslos an dem handbestickten Stoff, bis sie ihn schließlich so weit eingerissen hatte, dass sie sich aus dem Gesträuch befreien konnte. Sie ballte die zerfetzte Schleppe und den langen Schleier zusammen, lief dann, so schnell es ihre modischen Schühchen erlaubten, hinüber zur Kirchenmauer und spähte vorsichtig um die Ecke.
    Der Chor hatte seine Hymne beendet, und der Bischof versicherte der schwitzenden Versammlung, dass die Trauungszeremonie jeden Augenblick beginnen würde. Jack hielt dies für unwahrscheinlich angesichts des Umstands, dass die Braut soeben vom Balkon gesprungen und offenkundig dabei war zu fliehen. Er beobachtete, wie sie die eleganten Kut-schen begutachtete, die in einer langen Reihe auf dem Weg vor der Kirche standen. Die erste war die Hochzeitskutsche, ein protziges Gefährt aus Ebenholz und Gold, über und über mit dicken Satinschleifen und riesigen weißen Blumen geschmückt. Offenbar zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht geziemte, in dessen eigener Hochzeitskutsche vor ihrem Bräutigam zu flüchten, lief die Braut zum nächsterreichbaren Gefährt.
    „Schnell, fahren Sie los! “ stieß Amelia atemlos hervor, als sie ins Innere kletterte und den Wagenschlag hastig hinter sich schloss. Sie lugte ängstlich aus dem Fenster, um zu sehen, ob ihr jemand folgte. Dann entsann sie sich ihrer guten Manieren und fügte huldvoll hinzu: „Bitte. “
    Ein runzeliger kleiner Mann mit schläfrigem Blick und einem wirren weißen Haarschopf wandte sich um und starrte sie ungläubig an. „Na, Mädchen, was hat denn das zu bedeuten? “
    „Guten Tag, Miss Belford“, sagte Jack und öffnete entspannt den Wagenschlag. „Ein schöner Tag für eine Spazierfahrt, nicht wahr? “
    „Verzeihen Sie, Sir, doch diese Kutsche ist bereits besetzt. “ Amelia gab sich
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