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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal
Autoren: G Funaro
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away?«
    Gnädigerweise verlor Donovan den Verstand im Blitzgewitter des Stroboskops – er beobachtete seinen eigenen Tod mit den Augen eines Verrückten, ehe der Stab schließlich aus seinem Hals austrat und sein Leben sich auf den Boden ergoss.

Teil 1
    Einführung

1
    Wie immer sieht Michelle vom Bett zu ihm auf – ihre Augen und das Kristall des Weinglases funkeln im Kerzenlicht.
    »Auf uns«, prostet sie ihm zu. »Auf dich, mich und das Baby.«
    Erdbeer-Quick, denkt er. Sie trinkt immer Erdbeer-Quick.
    »Was ist ein guter Name für eine Erdbeere?«, fragt sie.
    »Ich werde es nicht zulassen«, erwidert er. »Dieses Mal nicht.«
    Aber die Stimme ertönt trotzdem, von hinten. So wie immer.
    »Wie wär’s mit Elmer«, krächzt der Mann im Schrank. »Elmer Stokes ist ein guter Name für eine Erdbeere.«
    Er versucht, sich umzudrehen, versucht, seine Hände à la Spiderman nach hinten zu spreizen und Spinnweben aus seinen Handgelenken zu schießen wie beim letzten Mal, aber seine Muskeln sind heute langsam und zäh, und die mächtige Gestalt von Elmer Stokes mit dem Quadratschädel gleitet direkt an ihm vorbei.
    Plopp-plopp macht die Waffe, ein albernes Knallen, das ihn an Blasenfolie erinnert, und dann beginnt das Blut aus dem Kopf seiner Frau zu strömen.
    Elmer Stokes lacht und verschwindet in die Küche.
    »Ist was zu essen da, Agent Volldepp?«, ruft er. »Ich hab Kohldampf, weil ich deine Frau umgepustet habe!«
    Aber er folgt nicht – er weiß aus Erfahrung, dass es besser ist, bei Michelle zu bleiben, das bisschen an Zeit, das ihm bleibt, mit ihr zu verbringen. Er stürzt an ihre Seite, nimmt sie in die Arme und versucht, das Einschussloch mit dem Strauß rosa Tulpen zu verstopfen, das vor einem Augenblick noch ihr Glas Erdbeer-Quick gewesen war.
    Es ist kalt, denkt er. Ihr Blut ist immer so kalt.
    »Kalt wie eine Dusche, die dich aufweckt«, spuckt seine Frau über die blutigen Lippen aus …
    Damit schreckte Sam Markham aus dem Schlaf und öffnete die Augen, während ihn eine Welle der Verzweiflung erfasste. Er schluckte schwer, biss die Zähne zusammen und presste den Druck in seinen Nebenhöhlen bis zum Magen hinunter. Und nach einem Moment begann sich sein Atem zu beruhigen, sein Herzschlag zu verlangsamen und sein Gesicht zu entspannen.
    Er drehte sich um und blickte auf die großen orangefarbenen Ziffern neben seinem Bett – 5:11 … 5:12 –, und als sich sein Verstand beruhigt hatte, streckte er die Hand nach seinem Blackberry auf dem Nachttisch aus, um nach dem Datum zu sehen.
    Mittwoch, 5. April, murmelte er vor sich hin. Fast zwei Wochen seit dem letzten.
    Er schloss die Augen und machte sich im Geist eine Notiz.
    Später, kurz nach dem Morgengrauen, saß er am Küchentisch und sah den Enten zu, die gemächlich um den Teich paddelten. Er kaute sein Müsli, im Takt mit den Watschelschritten eines fetten Exemplars, das im Schilf herumstocherte. Er hatte es schon vor vielen Jahren aufgegeben, den Traum als solchen zu analysieren, hatte aufgehört, verstehen zu wollen, warum er Michelle manchmal rettete und manchmal nicht.
    Sicher, lange Zeit hatte er überhaupt nicht von ihr geträumt. Er hatte erst nach diesem Unsinn in Tampa wieder damit angefangen. Unnötig zu fragen, warum. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Nein, wie er es in einem anderen Leben gelernt hatte: Wenn er schon unbedingt von seiner toten Frau träumen musste, war es ihm lieber, seine Gefühle zu beherrschen und hinterher zu katalogisieren wie ein Wissenschaftler.
    Er trank den letzten Schluck Milch und stellte die Schale in die Spüle. Ging ziellos aus der Küche und freute sich aus irgendeinem Grund darüber, wie schwammartig sich seine Laufschuhe auf den Parkettböden seines neuen Stadthauses anfühlten. Er kam schließlich ins Wohnzimmer, wo sich die Kisten aus Tampa und seinen zehn Jahren beim FBI wie dicht gedrängte Grabsteine vor ihm stapelten. Der Umzug, die Beförderung zum Supervisory Special Agent waren kurz und schmerzlos vonstattengegangen, ohne Anhänglichkeit, ohne Bedauern – genauso wie er es gernhatte.
    Natürlich würden ihn seine Leute willkommen heißen, würden auf subtile Weise versuchen, Bindungen zu ihm aufzubauen, etwa indem sie ihn zu einem gelegentlichen Pokerabend einluden oder fragten, ob er bei ihrer Operettenliga im Football mitmachte. Und er wusste, was sie über ihren neuen Chef sagen würden, wenn er ablehnte, wie er es immer tat: Zuerst, dass er arrogant und auf Distanz bedacht war,
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