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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Aschenwald
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einige blaue Kanister, wahrscheinlich irgendein Reinigungsmittel. Auf ihrem Bauch war jeweils ein kleines, rundes, oranges Zeichen, das eine schwarze Flamme zeigte. »Bestimmt ein Lösungsmittel«, dachte sie, und ihr fiel ein, dass ihre Mutter ihr immer eingeschärft hatte, mit Essig und Schmierseife bekomme man den meisten Schmutz weg und brauche keine chemischen Reiniger, die auch Geld kosteten und noch dazu umweltschädlich seien. Der kleine, orange Fleck mit der schwarzen Flamme brannte sich irgendwie in Omkas Blick ein, und wenn sie in diesem Moment aufgesehen hätte, wären in ihren Augen wahrscheinlich keine Pupillen gewesen, sondern wie im Zeichentrickfilm kleine, runde, orange Flecken mit einer schwarzen Flamme darin. Sie lachte kurz auf und dachte daran, dass man mit Schmierseife nichts wirklich sauber bekomme, und der Gedanke an die ätzende Giftigkeit des Nitroverdünners vor ihr gefiel ihr furchtbar gut. Sie packte vier Kanister davon in den Einkaufswagen und beschloss, jetzt einmal wirklich sauber zu machen, egal wie giftig das Zeug war. »Manchmal helfen die altbewährten Mittelchen eben nicht«, sagte sie sich und schob den Wagen zur Kasse. Wieder musste sie am Paradies vorbei. »Überall das Gleiche«, dachte sie. »Wo man hinspuckt, sitzt ein Held, und wo orangefarbener Rindenmulch liegt, kann das Paradies nicht weit sein.« Sie bezahlte und fuhr zu ihrer neuen Wohnung.
     
    Das, was von außen zu ihr drang, nahm sie fast nicht mehr wahr. »Ich kann es nicht«, sagte sie sich, »und ich bin es nicht. Ich muss das hier jetzt machen. Das kann ich, das ist die Lösung. Nur arbeiten, arbeiten.« Und sie dachte immer wieder an den See.
     
    Am kommenden Wochenende, als Josef Jonas zu Omka brachte, nahm sie das weinende und sich an sie klammernde Kind und sagte, es werde alles wieder gut. Im Ort gab es ein großes »Kinderland« mit Hüpfburgen, Rutschen, Klettertürmen und Schaukeln, wo sie mit Jonas hinging, mit ihm rutschte, schaukelte, an einem künstlichen Strand eine Sandburg baute und auf einen hohen Turm kletterte, wo oben ein Kreuz war und ein Schild » 8120  m« stand.
     
    Jonas war einigermaßen ungeschickt angezogen, hatte aber in seinem kleinen Rucksack alles mit, was er brauchte, und hielt sich die ganze Zeit an ihr fest wie ein keiner Klammeraffe, wie eine Schlingpflanze und bettelte: »Bleib da! Bleib da!« Die anfängliche Freude, die Omka gespürt hatte, als Josef ihr das Kind gebracht hatte, verwandelte sich langsam in Ärger. Dass ein Kind seine Mutter brauchte, schien mit ihr überhaupt nichts zu tun zu haben, es könnte genauso gut irgendjemand anderes sein – schließlich hatte Jonas sie ja nicht ausgesucht, sondern liebte sie, weil es eben ein Naturgesetz war, dass er sie liebte, und weil er ohne sie nicht auf der Welt wäre. Und jetzt klebte er an ihr, weil sie weggegangen war und weil er es nicht gewohnt war, ohne sie zu sein, und weil es überhaupt nichts darüber hinaus gab. Das Naturgesetz legte sich über alles andere wie eine kalte Decke. Sie schaute den spielenden Kindern zu, den plaudernden Müttern, die etwas abseits auf neonfarbenen Plastiksesseln saßen und sich aufgeregt unterhielten, den telefonierenden Vätern. »Wenn ich drei Monate nach der Geburt gestorben wäre«, dachte Omka, »könnte sich Jonas nicht einmal an mich erinnern, hätte ein paar Tage geschrien, und sobald er eine Amme bekommen hätte, wäre er wieder zufrieden gewesen.« Wie austauschbar war doch alles und wie eitel die Vorstellung, dass man irgendetwas Einzigartiges wäre, unersetzlich und besonders. An ihrem heißen Kopf und den ebenso heißen Händen merkte sie, dass sie sich ärgerte. Das Kind auf ihrem Arm drückte sie an sich und heulte.
     
    Und sie beschloss, nach Hause zu gehen.
     
    Den ganzen Weg zu ihrer kleinen Wohnung trug sie das weinende Kind. Als sie zu Hause angekommen war, zog sie ihm die Stiefelchen und die Jacke aus, stellte ihn gerade vor sich hin und sah ihm ins Gesicht. Die hellen Haare waren fast weiß, die Augen dunkel, aber trotzdem kam das Kind offenbar mehr nach seinem Vater, die dichten Brauen, die Mundpartie und das kurze Kinn – darin sah sie nur Josef. Außer dem Muttermal am Hals hatte er, so schien es, wenig von seiner Mutter. Omkas Blick fiel zum Fenster hinaus, wo sie den Schriftzug » ANNENHO « lesen konnte. »Wieso muss man eigentlich immer alles, was man sieht, lesen, und wenn es auch der größte Blödsinn ist?«, dachte sie. Als sie Jonas fragte, ob
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