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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an
Autoren: Anne Telscombe
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klappernd auf das Tablett.
    «Ja», stimmte Miss Baker seufzend zu. «Wir haben nur noch einen Tag.»
    Aber Miss Baker hatte diesen Tag bereits in vierundzwanzig Stunden aufgeteilt. Und vierundzwanzig Stunden können sehr lang sein.

    «Jackie, machen Sie auf. Ich bin’s. Humphrey.»
    Es war zehn Uhr morgens, und Jackie und Miss Baker waren gerade mit dem Frühstück fertig. Beide gehörten nicht zu den Menschen, die sich von einer schweren Entscheidung oder Krise den Schlaf rauben lassen. Sie hätten auch noch länger geschlafen, wenn nicht die Reporter unter ziemlichem Lärmaufwand ihre komplizierten Vorkehrungen für ihr Frühstück getroffen hätten.
    Herb Wilson hatte mit sich reden lassen und sein Badezimmer fürs Rasieren angeboten, und als Humphrey eintraf, stand immer noch eine lange Schlange vor seiner Tür. Sie fielen wie ein Mann über ihn her. Er war die erste Sensation des Tages, und sie waren wild entschlossen, sie auszukosten.
    «Er ist da», brüllte Herb Wilson und stürzte in die Wohnung, um seine Kamera zu holen.
    «Wer ist da?»
    «Napier, der Großneffe. Fangen wir halt von unten an.»
    Humphrey hatte schwer zu kämpfen, bis er schließlich im vierten Stock war, und nur mit vereinten Kräften gelang es Jackie und ihm, die Wohnungstür wieder ins Schloß zu drücken.
    Jackie ließ das Nudelholz sinken, mit dem sie auf die Arme und Beine eingeschlagen hatte, die sich durch die Tür drängten.
    «Dieses Experiment wollen wir heute nicht zu oft wiederholen», sagte sie nach Luft ringend. «Sie waren hoffentlich erst in der Botschaft? Fein. Ich lasse jetzt Miss Baker aus dem Badezimmer, und Sie können ihr alles erzählen.»
    Miss Baker wurde befreit und hörte ungeduldig an, was Humphrey ihr von seiner Unterredung mit dem Botschafter berichtete. Sie machte keinen Hehl daraus, daß die Details ihrer Heimreise sie langweilten, und gab zu erkennen, daß sie das alles gern Humphrey überließ.
    «Ja, und was wollen wir heute machen?» sagte sie dann etwas fröhlicher. «Aus der Wohnung kommt man wohl nicht raus?»
    «Es ist ja nur noch ein Tag, Tante Lavinia. Der Konsul hat versichert, daß wir morgen früh fliegen können. Jackie oder ich bleiben natürlich heute bei dir.»
    Jackie merkte, daß Miss Baker sie beide mit einem spekulierenden Blick betrachtete. Ihre eigene Situation interessierte sie nicht mehr, sie hatte ihre Gedanken völlig davon abgezogen. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit galt jetzt dem Problem, die Bekanntschaft zwischen ihrer jungen Gastgeberin und ihrem Großneffen zu fördern.
    «Auch wenn’s nur ein Tag ist, müssen wir was essen», sagte Jackie auf der Suche nach der einfachsten Methode, aus der Wohnung fortzukommen. «Ich werde einkaufen gehen. Und wenn Humphrey sowieso hier ist und Ihnen Gesellschaft leistet, Miss Baker, dann kann ich ja auch für den Rest des Vormittags in die Botschaft gehen. Sir Reginald hat bestimmt viel für mich zu tun.»
    Miss Baker war von diesem Vorschlag nicht sehr erbaut, aber da es
    Humphrey völlig gleichgültig zu sein schien, ob Jackie da war oder nicht, und Jackie offensichtlich nicht bleiben wollte, gab es keine andere Lösung.
    «Drei Stunden verloren», murmelte Miss Baker wütend, als sie ihr Strickzeug aus der Tasche nahm.
    «Was hast du gesagt, Tante Lavinia?»
    «Ich habe gesagt, wie nett es von Jackie ist, daß sie für unser Essen sorgt.»
    Aber Miss Baker wurde noch ärgerlicher, als Jackie um die Mittagszeit lediglich ein Netz voller Lebensmittel schickte und einen Brief, daß sie nicht vor dem Abendessen zurück sein könne.
    «Acht Stunden», murmelte Miss Baker und war kurz davor, sich geschlagen zu geben. Strickend saß sie den ganzen Vormittag in ihrem Sessel und plante...
    Inzwischen waren der Vizekonsul und andere Beamte dagewesen und hatten die Pässe, Flugkarten für den nächsten Morgen und einen Brief von Sir Reginald gebracht, der sich bei Miss Baker dafür entschuldigte, daß er nicht kommen konnte.
    «Ich würde Ihnen gern persönlich zu Ihrem schnellen und klugen Entschluß gratulieren, verehrte Miss Baker», schrieb er. «Aber ich habe gehört, daß sich mindestens zwanzig Journalisten in Ihrem Treppenhaus niedergelassen haben, und ich werde allmählich etwas zu alt, um das auf mich zu nehmen. Hoffentlich werden Sie nicht zu sehr gestört, und ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.»
    Die Journalisten waren inzwischen mehr als nur eine Störung. Immer bereit, jedes Mittel zu ergreifen, das zum Zweck führte, gaben
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