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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist
Autoren: Charles Dickens
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zögernd.
    Sikes blickte unschlüssig die Wand hinauf, dann sagte er plötzlich:
    »Ist – ist – die – Leiche schon begraben?«
    Die drei schüttelten die Köpfe.
    »Warum nicht?« murmelte Sikes, wieder an der Wand hin und her blickend. »Warum ist sie noch über der Erde? Wer ist da! Wer klopft da?«
    Crackit ging rasch hinaus und kam gleich darauf mit Charley Bates wieder zurück. Als Charley ins Zimmer trat, war der erste, den er sah, Sikes.
    »Toby«, rief der Junge und wich zurück, als sich Sikes nach ihm umdrehte, »Toby, warum hast du mir das nicht unten gesagt?«
    Sikes sah, wie die drei zusammenschreckten, und hielt dem Jungen die Hand hin, um sich bei ihm einzuschmeicheln. Man sah das Grausen in seinen Augen.
    »Ich gehe in ein andres Zimmer«, sagte Charley Bates und wich noch weiter zurück.
    »Charley«, schmeichelte Sikes und trat einen Schritt auf ihn zu, »kennst du mich denn nicht? – Kennst du mich denn nicht?«
    »Komm nicht näher, komm nicht näher«, stotterte der Junge, wich bis zur Wand zurück und stieß dann schaudernd, dem Mörder ins Gesicht blickend, die Worte aus: »Fort, du Scheusal!«
    Sikes blieb stehen, und beide blickten einander starr an. Dann schlug der Mörder allmählich die Augen zu Boden.
    »Ihr seid alle drei Zeugen«, schrie der Junge plötzlich auf und schüttelte die Faust. »Ich fürchte mich nicht vor ihm. Ich werde ihn ausliefern, wenn sie ihn hier suchen. Jawohl, das tue ich, daß ihr’s nur wißt! Er kann mich ja totschlagen, wenn er sich’s getraut, aber wenn ich noch lebe, dann liefere ich ihn aus. Und wenn er bei lebendigem Leibe geröstet werden sollte. Mörder! Hilfe! Hilfe! Wenn einer von euch drei noch ein bissel Courage hat, dann her mit euch. Mörder! Hilfe! Hilfe!«
    Und tatsächlich warf sich der schwache Junge auf den breitschultrigen Einbrecher, so daß dieser überrascht von dem Angriff nach rückwärts zu Boden stürzte. Die drei Männer, die den Vorgang mit angesehen, waren wie gelähmt vor Entsetzen. Sie machten keine Miene sich einzumischen, während der Junge und der Mörder sich auf dem Boden wälzten. Charley achtete nicht auf die Fausthiebe, die nur so niederprasselten auf sein Gesicht; – er krallte sich immer fester in die Brust des Verbrechers und schrie aus Leibeskräften um Hilfe.
    Der Kampf war zu ungleich, als daß er hätte lange währen können. Schon hatte Sikes seinem Gegner das Knie auf die Brust gesetzt, da riß ihn plötzlich Crackit mit angstvoller Miene in die Höhe und deutete auf das Fenster.
    Von der Straße schimmerten Lichter herauf, man hörte Stimmengewirr und das Getrampel von eiligen Schritten über die nächste Holzbrücke einherkommen. Ein Mann zu Pferd erschien unter der Menschenmenge. Immer mehr und mehr Lichter glänzten auf, dann erscholl lautes Klopfen an der Haustüre und das heisere Gemurmel unzähliger Stimmen.
    »Hilfe, zu Hilfe!« schrie der Junge mit gellender Stimme. »Hier ist er, hier ist er! Schlagt die Türe ein!«
    »Im Namen des Königs«, rief draußen jemand.
    Und wieder kreischte Charley: »Schlagt die Türe ein! Schlagt die Türe ein! Dort, wo das Licht brennt!«
    Hageldicht prasselten die Schläge gegen die Haustorfüllung, und ein lautes Hurra hallte empor aus der Volksmenge.
    »Reißt das Loch dort auf, damit ich den verfluchten Schreihals einschließen kann«, rief Sikes wütend und schleuderte Charley Bates, ihn hinter sich herschleppend wie einen leeren Sack, hinein in die Bodenkammer. Dann schlug er die Türe zu und schob den Riegel vor. »Ist die Türe zur Treppe sicher und fest?«
    »Doppelt verriegelt und zugekettet«, antwortete Crackit, mit den beiden andern wie versteinert dastehend und unfähig sich zu rühren.
    »Sind die Füllungen stark?«
    »Mit Eisenblech ausgeschlagen.«
    »Und die Fenster?«
    »Die Fenster auch.«
    »Hölle und Teufel über euch«, schrie der Mörder verzweifelt, riß das Fenster auf und drohte der Menge mit der Faust. »Ja, ja, brüllt nur, mich kriegt ihr doch nicht.«
    Ein Wutschrei der Menge zerriß die Luft. Einige riefen, man solle das Haus anzünden, andre schrien den Polizeileuten zu, von ihren Schußwaffen Gebrauch zu machen. Von allen aber am meisten raste und tobte der Mann zu Pferd. Er schwang sich plötzlich aus dem Sattel, drängte sich durch den Volkshaufen, als schwimme er durch tosende Wellen, und schrie mit einer Stimme, die alle andern übertönte:
    »Zwanzig Guineas dem, der eine Leiter zur Stelle schafft!«
    Der Ruf ging von Mund
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