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Ohne Gnade

Ohne Gnade

Titel: Ohne Gnade
Autoren: Jack Higgins
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Deine eigene Schwester. Sie wußte ja, daß du nur den Mund auftun brauchtest, um sie für fünf Jahre ins Gefängnis zu bringen.«
    »Ich brauchte das Geld«, sagte sie ruhig.
      »Das ist mir inzwischen klargeworden«, gab er zu. »Vier Jahre an der Universität. Hast du übrigens wirklich nachts als Bardame gearbeitet? Und dann die Schule hier. Du sagtest, daß du Miß Van Heflin einen Prozentsatz deines Jahresgewinns ablieferst. Du hast mir aber nicht erzählt, daß du ihr eine Anzahlung von dreitausend Pfund gegeben hast. Das erfuhr ich von ihr. Ich habe sie vor einer halben Stunde angerufen und aus dem Bett geholt. Eine feine, alte Dame. Sie hofft übrigens, daß du nichts Schlimmes getan hast.«
    Ihre eiserne Beherrschung schien sie zum erstenmal zu verlassen. Sie schlug mit der Faust auf das Klavier.
      »Ich mußte aus der Khyber Street herauskommen, Nick. Das verstehst du doch, oder? Ich mußte einfach da heraus.«
    »Und Ben?«
      »Er hätte mir alles verboten. Wenn er vernünftig gewesen wäre, hätte er sich hier nicht mehr blicken lassen, und dann wäre das alles nicht passiert.«
      »Bella hat mir erzählt, wie du alles arrangiert hast. Wenn Ben auftauche, solle sie ihm vorlügen, das Geld sei an Bord einer Motorjacht versteckt, die ihr gehöre und bei Hagens Werft ihren Liegeplatz habe. Du hast sie gebeten, die Pistole nur für alle Fälle mitzubringen, als Schutz. Du wolltest Ben angeblich mit Geld dazu bewegen, die Stadt wieder zu verlassen. So hast du ihr es klargemacht.«
    Jean zuckte die Achseln.
      »Arme Bella. Wenn es hart auf hart ging, fand sie sich nie zurecht. Ich mußte alles für sie übernehmen, schon in unserer Kindheit. Die Waffe wirst du nie finden, ist dir das klar?«
      »Darauf kommt es nicht an. Wir nehmen einen Nitrat-Test bei dir vor. Das wird zeigen, ob du in den letzten Stunden eine Schußwaffe abgefeuert hast. Und der Schmutz in der Werft – eine Laboranalyse deiner verschmutzten Stiefel genügt. Und dann dein Wagen. Wenn er längere Zeit auf der Straße vor dem Eingang zur Werft stand, können wir das auch nachweisen.« Er schüttelte den Kopf. »Du hattest nie eine Chance.«
    »Wirklich nicht?«
    »Weißt du, was dein größter Fehler gewesen ist? Du erzähltest mir, du hättest Ben gehaßt. Seit deinem vierzehnten Lebensjahr habe er dich nicht in Ruhe gelassen.« Nick starrte sie an. »Wenn ich in den vergangenen acht Stunden etwas gelernt habe, dann das eine: Ben Garvald war ein Gentleman reinsten Wassers, wenn es um Frauen ging. Bevor er eine Vierzehnjährige belästigt hätte, wäre er hergegangen und hätte sich die rechte Hand abgehackt.«
      »Ich begehrte ihn«, sagte Jean schlicht. »Wußtest du das? Ich lag nachts im Bett und sehnte mich nach ihm, aber er hat mich nie angerührt.«
      Er stand auf und ließ seine Zigarette fallen. Sie trat zu ihm, schlang die Arme um seinen Hals und preßte ihren Körper an den seinen.
      »Niemand braucht es zu erfahren, Nick. Du könntest es irgendwie vertuschen, ich weiß es.«
      »Wenn ich wollte«, sagte er langsam. »Das ist der springende Punkt. Um die Worte eines Mannes zu gebrauchen, der zehnmal soviel wert war wie du – nicht einmal mit einer Kohlenzange möchte ich dich anrühren.«
      Die Maske der Beherrschung fiel ab. Sie stürzte sich wie eine Wahnsinnige auf ihn und versuchte mit Krallenfingern seine Augen zu erreichen. Als er ihre Handgelenke packte, barsten die Worte aus ihr heraus, als sei ein Damm gebrochen. All der Schmutz der Khyber Street, die Jahre in der Gosse, verdrängt, in einem dunklen Winkel verborgen – es brach sich Bahn und sprudelte an die Oberfläche.
      Grant stürmte durch die Tür, gefolgt von einem Konstabler. Er packte Jean Fleming bei den Armen und riß sie von Nick weg.
    »In Ordnung, Nick, wir nehmen sie mit.«
      Der Konstabler ergriff ihren anderen Arm, und sie ging zwischen den beiden Männern zur Tür hinaus, über die Schulter starrend, mit haßverzerrtem Gesicht, obszöne Beschimpfungen ausstoßend, bis ihre Stimme draußen im Regen verklang.
      Nick sah ins Leere und suchte mechanisch nach einer Zigarette. Er steckte sie zwischen die Lippen. Ein Zündholz flammte auf. Er drehte sich um und starrte in das dunkle, gequälte Gesicht Chuck Lazers.
    »Eine lange Nacht, General.«
      Nick schwieg. Er verließ das Zimmer, ging durch den Korridor, blieb unter dem Vordach stehen und schaute in den Regen hinaus.
    »Eine lange Nacht«, wiederholte er
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