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Ohne Chef ist auch keine Loesung

Titel: Ohne Chef ist auch keine Loesung
Autoren: Volker Kitz , Manuel Tusch
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behandelt Sie ungerecht, wenn er Ihnen zusätzlich zu Ihrer Lebenszeit und Arbeit auch noch Ihr Toilettenpapier
     wegnimmt. Und wahrscheinlich finden Sie es völlig absurd, dass wir uns eine solche Geschichte ausdenken. Ist es auch, denn
     wir kennen niemanden, dem so eine Geschichte jemals passiert wäre.
    Was Frau Steck-Ein in ihrer Tasche versteckt
    Nun stellen Sie sich aber folgende Situation vor: Freitagabend, am Schreibtisch im Büro sitzt eine Mitarbeiterin, die wir
     Frau |16| Steck-Ein nennen wollen. Der Chef ist schon lange weg und alle anderen auch. Bevor
er
sich um fünf ins Wochenende verabschiedet hat, hat er Frau Steck-Ein ihren Entwurf für eine Präsentation am Montagmorgen auf
     den Tisch geknallt. Er hatte den Entwurf seit Mittwoch, musste sich aber natürlich mit der Korrektur bis heute Abend Zeit
     lassen. Es gebe auch »nur ein paar kleine Anmerkungen«. In Wirklichkeit sind die Seiten nur so mit roten Änderungen übersäht,
     Frau Steck-Ein soll praktisch alles noch einmal neu machen. Das wird noch vier Stunden dauern, mindestens. Und zwar vier
Über
stunden. Überstundenregelungen gibt es im Betrieb von Frau Steck-Ein nicht, es wird nichts aufgeschrieben, nichts ausgeglichen,
     nichts extra bezahlt. Und ihr Gehalt ist, wie sie findet, sowieso schon niedrig genug. Ihr Chef, der mindestens das Doppelte
     verdient, sitzt jetzt schon zu Hause bei seiner Familie. An seinem wertvollen Designeresstisch, wie ihn sich Frau Steck-Ein
     wohl nie wird leisten können.
    »Das ist nicht gerecht!«, denkt Frau Steck-Ein.
    Und ihr Blick fällt auf die Palette Druckerpapier, die heute frisch angeliefert worden ist. Es ist gute Qualität, etwas fester,
     liest sie auf einer der Packungen. »Die sind ja nicht billig, die Dinger«, musste Frau Steck-Ein erst kürzlich wieder feststellen.
     Und ihre Tochter muss doch am Wochenende ihre erste Seminararbeit fürs Germanistikstudium ausdrucken, hat sie gesagt. Da packt
     Frau Steck-Ein vorsichtshalber mal zwei Stapel in ihre Tasche.
    Und wo waren denn noch mal diese tollen neuen Power-Strips im Materiallager? Die sind wirklich nicht schlecht, sollen auch
     schwere Sachen ganz ohne Nägel an der Wand halten. Vielleicht lässt sich damit zu Hause endlich die neue Uhr auf den Fliesen
     im Bad anbringen. »Ah, da sind sie ja«, denkt Frau Steck-Ein aufs Höchste erfreut und steckt eine Packung ein.
     
    |17|
Frage:
Was denken Sie nun über Frau Steck-Ein?
»Unhöflich, sie hätte wenigstens vorher fragen können.«
»Hm … Da muss sie wohl was Kleingedrucktes im Arbeitsvertrag übersehen haben.«
»Völlig in Ordnung, wieso soll sie extra selbst ins Geschäft laufen und auch noch Geld dafür ausgeben müssen? War doch so
     viel praktischer für sie.«
»Ganz okay war das ja wohl nicht, Frau Steck-Ein.«
    Diesmal ist die Sache anders: Die Geschichte von Frau Steck-Ein ist nicht so an den Haaren herbeigezogen wie die vom klopapierklauenden
     Chef. Sie ist Alltag in den meisten Unternehmen. Schätzungen zufolge beträgt der Schaden durch solche »private Gewinnmitnahmen«
     für Unternehmen in Deutschland jährlich bis zu 100 Milliarden Euro! Die Schreibwarengeschäfte machen heute nur noch wenig
     Umsatz mit Privatkunden. Es gibt ja alles im Büro, im Materiallager! Immer teurer werden die Gegenstände, die ohne jede Hemmung
     aus den Büros getragen werden. Schon firmeneigene CD-Player und Fernseher sind heute routinemäßig darunter, wie wir bei den
     Recherchen zu diesem Buch erfahren haben.
    Viele verspüren ein großes Bedürfnis, sich gegen den mächtigen Arbeitgeber zu wehren, der sie immer wieder ungerecht behandelt.
     Das ist nur allzu menschlich: Die Gehälter steigen nicht, die Überstunden schon. Das Weihnachtsgeld wird immer kürzer, der
     Dienstwagen des Chefs aber immer länger. Was ist da schon dabei, wenn man ein paar Stapel Kopierpapier mitnimmt? Die Einladungen
     für die 200 Leute zum Polterabend auf dem Farblaserdrucker im Büro ausdruckt? Das steht einem doch alles zu! Es holt sich
     nur jeder das zurück, was ihm genommen wurde. Weil |18| er so ungerecht behandelt wird. Nach einer Umfrage des Personaldienstleisters Kelly Services hält es fast ein Drittel der
     deutschen Angestellten für zulässig, Büromaterial mit nach Hause zu nehmen.
    Und wie beurteilt Frau Steck-Eins Chef die Situation? Nun, er denkt das Gleiche wie Sie über ihn, wenn er Ihr Klopapier klaut.
     Er findet es ungerecht, dass Frau Steck-Ein sich eigenständig ihr Gehalt
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