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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye
Autoren: Seanan McGuire
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Gefühl, mit diesem unumstößlichen Argument einen Sieg errungen zu haben.
    »Hast du mal erwogen, telefonisch eins zu rufen? Soweit ich weiß, kann man sie zu sich bestellen.«
    »Hab kein Telefon.«
    »Ich verstehe«, sagte Tybalt. »Hier gibt es also keine Taxis, und du hast völlig einleuchtende Gründe, dir keins zu rufen. Und du bist wahrhaftig betrunken genug, um den Sitz meiner Hose zu kommentieren. Da scheint es mir eine gute Idee, wenn ich dich nach Hause begleite.«
    »Das hab ich nicht nötig.«
    »Das ist schön«, meinte Tybalt, schlüpfte aus seiner Jacke und legte sie mir um die Schultern. »Du siehst aus, als sei dir kalt.«
    »Mir ist nicht kalt.« Das war eine Lüg e – es war eine angenehme Nacht, aber selbst die angenehmsten Nächte werden in San Francisco nach Mitternacht frostig. Ich zog die Jacke enger um mich und bemühte mich um einen Anschein von Würde. Das Leder roch nach Tybalts Magi e – Poleiminze und Moschus. »Ich kann sehr gut allein nach Hause gehen.«
    »Natürlich«, pflichtete Tybalt mir bei, legte mir eine Hand ins Kreuz und schob mich sachte vorwärts. »Schließlich bist du eine vollkommen vernünftige, kompetente Frau. Nur bist du im Moment dermaßen betrunken, dass du nicht mehr weißt, ob du dein eigenes Gesicht trägst oder nicht, und ich würde dich wirklich nur sehr ungern vom Bürgersteig kratzen.«
    Seine Hand übte festen, beharrlichen Druck aus. Ich setzte mich vorsichtig in Bewegung. Jetzt, wo ich mich an etwas anlehnen konnte, ging es schon erheblich besser. »Nee, nicht vom Bürgersteig kratzen. Wenn schon, dann lande ich in irgendeiner dunklen Gasse.«
    »Stimmt wahrscheinlich.«
    Wir gingen einige Blocks. Ich schlingerte auf klappernden Absätzen dahin, er schritt lautlos neben mir her und korrigierte meine Richtung nur, wenn ich vom Gehweg zu fallen drohte. Schließlich sagte ich: »Ich versteh nicht, warum du das tust.«
    »Ich bin eine Katze. Was wir tun, muss keinen Sinn ergeben.«
    Sosehr ich mich auch bemühte, ich fand in dieser Äußerung keinen Logikfehler. Natürlich war es wenig hilfreich, dass sich in meinem Kopf alles zu drehen begann. Ich gähnte.
    »Das geht mir zu langsam«, sagte Tybalt. Nach dieser schlichten Feststellung hob er mich kurzerhand hoch und nahm mich auf die Arme. Ich quiekte protestierend. Er schmunzelte. »Oh, lass gut sein. Wir wissen beide, wie das endet, und es wird angenehmer für uns, wenn du dich nicht wehrst. Du bist in der Zwischenzeit nicht umgezogen, oder?« Ich schüttelte den Kopf. »Gut. Jetzt halt die Luft an. Ich weiß eine Abkürzung.«
    Das war seine Umschreibung für Wir reisen durch die Schatten . Die Cait Sidhe verfügen über Kräfte, die meine Lini e – die Daoine Sidh e – nicht besitzt. Dazu gehört der Zugang zu den Schattenpfaden, eine Gabe, die meines Wissens niemand außer den Cait Sidhe hat. Ehrlich gesagt, können sie die gerne behalten. Die Schattenpfade sind finster und bitterkalt. Es ist unmöglich, dort zu atmen, weil die Lungen sofort einfrieren. Tybalt schien es ein perverses Vergnügen zu bereiten, mich durch die Schatten zu schleife n – das war zwar praktisch, doch das Unbehagen, das es verursachte, wog das mehr als auf.
    Ich holte tief Luft und presste die Augen fest zu. Tybalt kicherte, und ich spürte, wie sich seine Brust- und Armmuskeln wölbten. Dann machte er zwei lange Sätze und rannte los.
    Jäh wurde die Welt rings um uns kalt, binnen Sekunden schwand alle Wärme wie weggerissen. Ohne darüber nachzudenken, schmiegte ich mich an ihn, begann im Kopf von zehn abwärts zu zählen und maß die Entfernung an der Wahrnehmung von Tybalts Laufschritt. Betrunken, wie ich war, fand ich das Erlebnis lange nicht so verstörend wie beim ersten Mal, als Tybalt mich in die Schatten zog. Ohne die Eiseskälte wäre es fast angenehm gewesen.
    Ich war mit meinem stummen Countdown gerade bei drei angelangt, als wir aus der Kälte auftauchten und die vergleichsweise Wärme der Juninacht uns wiederhatte. Ich schlug die Augen auf und blinzelte durch die Eiskristalle an meinen Wimpern. Wir standen vor meiner Eingangstür. Für Fae-Augen war sie an den Ecken mit den schimmernden roten Mustern der Schutzzauber markiert, die ich vor dem Ausgehen angebracht hatte.
    »So ist es doch viel einfacher«, sagte Tybalt. Er betrat die Veranda und erklärte: »Ich fürchte, hier kann ich nicht weiter. Schutzzauber.«
    »M-hm.« Die Kälte hatte mich schläfrig gemacht, und da, wo ich war, fühlte ich mich
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