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Obsession

Titel: Obsession
Autoren: Simon Beckett
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Frühgeburt gehalten.»

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    |41| Kapitel 3
    Jessica wohnte im vierten Stock eines Mietblocks des sozialen Wohnungsbaus in Peckham. Der Aufzug funktionierte zwar, doch
     als Ben das Erbrochene sah, das am Boden und den Wänden trocknete, nahm er lieber die Treppe. Noch ehe er die dritte Etage
     erreicht hatte, war er außer Atem. Er nahm sich vor, möglichst bald wieder mit dem Fußballspielen zu beginnen. Oder irgendetwas
     anderes zu tun. Wenn man sich hängenließ, war man plötzlich vierzig und hatte Übergewicht. Das war zwar noch acht Jahre hin,
     aber bereits jetzt merkte er, dass er schon nach wenigen Wochen einrostete und es ihn immer mehr Überwindung kostete, sich
     wieder aufzuraffen.
    Er versuchte, seine Atemlosigkeit zu ignorieren, und schleppte sich hinauf in den vierten Stock. Vor den Eingangstüren der
     Wohnungen verlief ein offener Gang, der nach außen hin nur von einer brusthohen Betonwand begrenzt wurde. Ben war noch nie
     dort gewesen. Jessica und er hatten nie einen Hehl aus ihrer gegenseitigen Abneigung gemacht. Wenn sie Sarah besucht hatte,
     war er normalerweise ausgegangen, und bei den wenigen Gelegenheiten, wo sie sich nicht aus dem Weg gehen konnten, hatten sie
     es nur mit Mühe geschafft, um Sarahs willen ein Mindestmaß an Zivilisiertheit an den Tag zu legen.
    |42| Die beiden hatten sich sofort und automatisch unsympathisch gefunden; Ben, weil er spürte, dass sie ihn nicht mochte, Jessica
     aus Gründen, die nur sie selbst kannte. Aber er hatte eine Vermutung. Sie war sauer auf ihn. Bevor er auf der Bildfläche erschienen
     war, hatten Sarah und Jacob zu ihrer erweiterten Familie gehört. Manchmal hatte er gar das Gefühl, dass sie meinte, die beiden
     wären tatsächlich ihre Familie gewesen. In der kleinen Einzimmerwohnung, in die Sarah nach Jacobs Geburt gezogen war, hatte
     sich Jessica aufgeführt, als wäre sie ihr zweites Zuhause. Sie kam unangemeldet zum Essen vorbei, blieb über Nacht und ging
     ans Telefon, als würde sie dort wohnen. Einmal, als er und Sarah sich erst seit wenigen Monaten kannten und er allein dort
     war und das Abendessen zubereitete, war Jessica ohne zu klingeln hereingekommen.
    Sie war erschrocken stehengeblieben. «Was machst du denn hier?»
    Er grinste sie an, weil er wusste, dass es sie wütend machen würde. «Kochen. Und du?»
    Sie ignorierte seine Frage. «Wo ist Sarah?»
    «Jacob hat sich einen Husten eingefangen. Sie ist mit ihm zum Arzt.»
    Sie hatte auf der Schwelle zum Wohnzimmer gestanden, auf der anderen Seite von der Arbeitsplatte, die das Zimmer von der winzigen
     Küche abtrennte. Er sah, wie sie die Vorbereitungen für ein Abendessen zu zweit sowie die offene Flasche Wein betrachtete.
     «Davon hat sie mir nichts gesagt.»
    «Das hat sie auch nicht im Voraus geplant.» Als er sie so schwerfällig dastehen sah, in ihrer schlichten Hebammentracht, hatte
     er sich erweichen lassen. «Möchtest du ein Glas Wein? Sie kommt bestimmt gleich zurück.»
    Sie hatte ihn mit funkelnden Augen angesehen und die |43| Lippen zusammengepresst. «Nein.» Ohne ein weiteres Wort hatte sie sich umgedreht und war gegangen.
    «Die arme Jessica», sagte er eines Abends im Spaß zu Sarah. «Ich glaube, sie ist eifersüchtig auf mich.»
    «Ach was. Sie ist nur schüchtern, das ist alles.»
    «Aber nur bei Männern. Die Frau ist doch so weit an der anderen Küste, dass sie schon nicht mehr zu sehen ist.»
    Sarah knuffte ihn. «Sei nicht gemein. Zudem heißt es Ufer.»
    «Schön, am anderen Ufer. Ich glaube, sie ist eine versteckte Lesbe.»
    Sie lachte, aber er konnte sehen, dass sie sich unbehaglich fühlte.
    «Komm schon, du weißt, dass sie eine ist», sagte er, um sie zu reizen. «Gib es doch einfach zu, es ist keine große Sache.»
    «Warum reitest du dann darauf rum?»
    «Ich reite nicht darauf rum. Ich verstehe nur nicht, warum du es nicht zugeben willst.» Es wunderte ihn tatsächlich. Sie beide
     hatten schwule und lesbische Freunde, deshalb war es seltsam, dass Sarah so eine Abwehrhaltung einnahm, wenn es um Jessicas
     sexuelle Orientierung ging. «Ihr beide habt doch keine dunklen Geheimnisse, oder?»
    Ihm verging das Lächeln, als Sarah ihn anfuhr. «Nein, natürlich nicht! Was soll der Quatsch?»
    Vor lauter Wut war sie rot geworden. Ihre Sommersprossen stachen noch mehr hervor als sonst.
    «Es war ein Spaß», sagte er erschrocken.
    «Ich weiß. Aber ich möchte nicht, dass du über sie lachst.»
    «Ich habe nicht gelacht. Auf jeden Fall
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